Am dritten Festivaltag trat in der Sophienkirche der Klarinettist Jörg Widmann auf. Doch nicht in einem Ensemble, sondern solo. Eineinhalb Stunden spielte er nun sieben Stücke, die teils extra für ihn, zwei davon sogar von ihm selbst komponiert waren.
Das ganze Konzert hindurch hatte ich das Gefühl, zwei Klarinetten und nicht nur eine zu hören, was teils den in einem Stück verwendeten interaktiven elektronischen Computereffekten zu verdanken war, teils aber auch durch gewolltes Überblasen des Instruments, die Obertöne in Zwei-, Drei- und Vierklängen erklingen ließ. Jörg Widmann entlockte seiner Klarinette Klänge die aus dem Nichts zu kommen schienen, sich übereinander aufbauten, die Luft in der Kirche zerschnitten, um dann wieder im Nichts zu verschwinden. Ihm dabei beim Spielen zuhören und zusehen zu können war eine Freude, denn es schien, besonders in seinen Eigenkompositionen, als würde Widmann nicht auf einer Klarinette spielen, sondern durch einen verlängerten Arm oder Mund dem Publikum von sich erzählen, als wäre er Eins mit der Klarinette.
Er spielte Töne und Mehrklänge, die mir nie in denn Sinn gekommen wären und nutzte dabei die gesamte, weite Stimmlage der Klarinette aus. Von tiefen, scheppernden, dissonant aufregenden Tönen bis in die höchsten Register der Obertöne fehlte kein einziger Ton und nochdazu erzeugte er Atmosphäre durch Klappengeräusche, die wie indische Tabla oder andere ferne Trommeln klangen. Man sah ihm eine Experimentierfreude an, die mich sehr beeindruckte. Manche Stücke erzeugten eine Atmosphäre, die direkt aus dem All in den Raum der Kirche eindrangen, um dort eine Art Seifenblase aus Musik zu kreieren. Die Kirche war auch deshalb ein passender Ort für diese Musik, denn wo sonst ist der Mensch dem Übernatürlichen, Unbekannten näher? Jörg Widmann – ein wunderschönes, aufregend spirituelles Konzert in der wunderschönen Sophienkirche.
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