Friedrich Cerha
Friedrich Cerha, geboren 1926 in Wien, ist Komponist, Dirigent, Professor und Musikschriftsteller. Er ist eine nationale Institution in Österreich. Seit über 50 Jahren steht er für die Neue Musik in seiner Heimat, in einer gewissen Weise auch für das Bestreben, der Kunst ihre Wurzeln in der Tradition zu bewahren und daraus eine Erneuerung herbeizuführen.
Er ist schon zu Lebzeiten eine musikhistorische Figur, der mit Kurt Schwertsik, (später auch H.K. Gruber) und seiner Frau Gertraud, das Ensemble die reihe gegründet hat, um ein Forum für die zeitgenössische Musik zu schaffen. Er hatte es nicht leicht in den späten 50er Jahren, ließ sich aber nicht beirren und verbündete sich mit anderen internationalen Persönlichkeiten der Neuen Musik – wie György Ligeti oder Pierre Boulez – die viele Aufführungen ihrer Kompositionen dem Ensembleleiter und Dirigenten Friedrich Cerha zu verdanken haben.
Cerha hat vorrangig nicht seine eigenen Stücke aufgeführt – er war aber von Anfang an ein harter Arbeiter an seinem Schreibtisch und schaffte Werke, die ebenfalls eine allgemeine musikhistorische Bedeutung haben und die als Meilensteine in der Musikgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg gelten. Sein aus sieben Orchesterwerken bestehender Spiegel-Zyklus etwa, der über zehn Jahre auf seine Uraufführung warten musste (entstanden 1960/61, uraufgeführt 1972) ist so ein Meilenstein, aber keineswegs seiner Entstehungszeit verhaftet: Gesamtaufführungen der letzten Jahre in Berlin, Dresden, Wien und Bregenz haben gezeigt, wie aktuell die Spiegel-Stücke immer noch sind, welchen ungeheuren Eindruck – sogar physischen Eindruck – sie auf den Hörer ausüben.
Sein vielfältiges Oeuvre umfasst alle Gattungen in den unterschiedlichsten Stilen. Seine Opern – Der Rattenfänger, Baal, Der Riese von Steinberg – haben Maßstäbe gesetzt, nicht nur was die Musik angeht, sondern auch dafür, wie ein Musiktheaterwerk
Wesentliches über Gesellschaft, über die menschliche Natur aussagen kann. Er hat aber auch zutiefst Wienerische Musik geschrieben, mit einem ganz eigenen Sinn für Humor und für die Wiener Weisen, denen vor ihm wohl niemand den Weg in den Konzertsaal geebnet hat.
Friedrich Cerhas musikgeschichtliche Bedeutung ist auch durch seine Vollendung des dritten Aktes von Alban Bergs Lulu begründet. Seit der Erstaufführung in Paris 1979 (Dirigent: Pierre Boulez, Regisseur: Patrice Chéreau, Bühnenbildner: Richard Peduzzi, Lulu: Teresa Stratas) ist die drei-aktige Fassung in unzähligen Produktionen, also Interpretationen zu erleben gewesen – ein sine qua non für die Repertoirewerdung eines jeden Werkes. Was sich Cerha vorgenommen hat, wie er mit dem von Berg hinterlassenen Material umgegangen ist, ist in einem ausführlichen Arbeitsbericht zu lesen.
Am 22. Juni 2012 wurde Cerha der Ernst von Siemens Musikpreis verliehen.