Ihm eilt der Ruf des »Klangtüftlers« voraus, der aus Schrott und Ausrangiertem musikalische Funken schlägt, der Klangapparate aus alten Dosen, Kabeln, Rohren, Trichtern, Altgeräten, gestaltet und diese in Junkyard Pieces auf Instrumentenklänge treffen lässt. Dies ist indes nur die spektakuläre Seite seines Schaffens, letztlich geht es Ricardo Eizirik in seinen Performances, Installationen, Aktionen und Kompositionen um sozio-kulturelle Fragen, den Einfluss einer von Maschinen und Technik bestimmten Welt auf die Menschen und wie diese damit umgehen. Sein Stück Obsessive Compulsive Music für Klarinette, Cello und expandiertes Klavier wurde 2018 bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik vom Trio Catch uraufgeführt. Bei Ultraschall Berlin präsentiert das Zafraan Ensemble eine neue Fassung mit Saxofon anstelle jener mit Klarinette.
Die Bezeichnung »expandiertes Klavier« in der Triobesetzung ist eine direkte Übersetzung von expanded piano im Englischen und bezieht sich auf die technische Erweiterung des Klavierklangs mittels Zuspiel und Liveelektronik: So sind für den Pianisten zwei Kontaktmikrofone an den Händen vorgesehen und als weiteres Gerät ein Freeze Pedal, womit aus dem gespielten Material Loops erzeugt werden können oder stehende Klänge. Zudem bringt ein Sampler vorgefertigte Sounds ein. Dies alles wird über zwei Transducer, winzige Lautsprecher, die im Korpus des Klaviers angebracht werden, übermittelt. Zu dieser reichhaltigen Ausweitung des Trioklangs, an dem Saxofon und Cello mit verschiedenen Spieltechniken beteiligt sind, kommt zusätzlich eine visuelle Schicht, die sich aus den Bewegungen der Instrumentalisten im Spiel entwickelt, etwa Handbewegungen, die der Spieltechnik geschuldet sind, aber auch etwa »kleine Kopfbewegungen, um Akzente zu markieren«, so der Komponist. Gleichzeitig stellt er klar: »Dabei geht es nicht um theatralische Momente, sondern um die Verstärkung dieser Mechanik. «
Der Titel Obsessive Compulsive Music ist ein bewusster Verweis auf Zwangsstörung, im Englischen obsessive-compulsive disorder, wie sie bei Kontrollzwang oder bei verbalen Zwängen, etwa dem häufigen Wiederholen bestimmter Wörter, Sätze oder auch Melodien zu beobachten ist. Ähnliches greift Ricardo Eizirik in seinem Stück auf, wie er in einem Werkkommentar anlässlich der Uraufführung in Witten erläutert hat: »Klanglich hat das Stück sehr viel mit der Mechanik unseres Alltags zu tun. Das Spielen von Instrumenten ist an sich schon eine repetitive, manische Aktivität. Davon ausgehend beinhaltet dieses Stück das Nebeneinander von zwanghaftem Verhalten und musikalischem Manierismus. Dadurch rücken die Ähnlichkeiten zwischen Musik und Manie in den Vordergrund.«
Eckhard Weber