Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges fielen Radiofreunden auf der ganzen Welt bizarre Sendungen im Äther auf. Diese Übertragungen begannen mit einer seltsamen Melodie oder mehreren Pieptönen, gefolgt von einer fremden Frauenstimme, die auf Deutsch zählte, oder der unheimlichen Stimme eines Kindes, das Buchstaben auf Englisch aufsagte. Viele Funkamateure, die auf diese Kurzwellennachrichten stießen, schlossen daraus, dass sie dazu benutzt wurden, verschlüsselte Nachrichten über extrem große Entfernungen zu senden. Es war ein seltsames Erlebnis, einen solchen Sender zu hören. Funkamateure gaben ihnen farbenfrohe Namen wie ›Nancy Adam Susan‹, ›The Lincolnshire Poacher‹, ›The Swedish Rhapsody‹ oder ›The Gong Station‹.
Olivia Sorrel-Dejerine, The spooky world of the ‘numbers stations’ (BBC News Magazine, 16.042014)
The Lincolnshire Poacher ist der Name eines Radiosenders, der so genannt wurde, weil zwei Takte aus dem gleichnamigen traditionellen englischen Volkslied als ›Pausensignal‹ verwendet wurden. Diese Station, die angeblich bis 2008 aktiv war und von Zypern aus sendete, wurde vermutlich vom britischen Geheimdienst betrieben und war eine der bekanntesten und aktivsten ›Nummern-Stationen‹. Bei den so genannten ›Numbers Stations‹ handelt es sich um geheimnisvolle Kurzwellenradiosender unbestimmter Herkunft, die in Ländern auf der ganzen Welt existieren und seit dem Ersten Weltkrieg gemeldet werden. Sie sind an den ungewöhnlichen Inhalten ihrer Sendungen zu erkennen: scheinbar zufällige Abfolgen von Zahlen, Wörtern, Buchstaben (in der Regel von künstlich erzeugten Stimmen gesprochen), Melodien, Morsezeichen, bizarre elektronisch anmutende Geräusche und Signale, wie das gespenstische Piepen, das UVP-76 (ein russischer Sender) noch immer täglich aussendet.
Die gängigste Theorie über den Zweck dieser unheimlichen und bizarren Sendungen ist, dass sie von Regierungen auf der ganzen Welt genutzt werden, um heimlich verschlüsselte Nachrichten an Spione zu übermitteln.
Mehr als 50 historische Radiomitschnitte solcher verschlüsselten Kommunikationen erscheinen in diesem Stück, das seinen Titel dem gleichnamigen Sender entlehnt. Diese Archivmaterialien bilden den Ausgangspunkt für ein Nachahmungsspiel mit den sechs Instrumenten und ihrer digitalen Verarbeitung, bei dem Modulationstechniken zum Einsatz kommen, die bei der Übertragung von Radio- und Fernsehsendungen üblich waren und sind.
Das Stück befasst sich mit der Ästhetik des Grundrauschens, des weißen Rauschens und mit den geheimen Botschaften, die im Rauschen, das uns umgibt, verborgen sind. Irgendwie ist es auch eine un-nostalgische Hommage an die Ära des Kalten Krieges, dessen Geister noch immer in unserem Leben spuken.
Mauro Lanza
At the apex of the Cold War, radio lovers across the globe started to notice bizarre broadcasts on the airwaves. Starting with a weird melody or the sound of several beeps, these transmissions might be followed by the unnerving sound of a strange woman’s voice counting in German or the creepy voice of a child reciting letters in English.
Encountering these shortwave radio messages, many radio hams concluded that they were being used to send coded messages across extremely long distances. Coming across one of them was a curious experience. Radio enthusiasts gave them colourful names like the ›Nancy Adam Susan‹, ›The Lincolnshire Poacher‹, ›The Swedish Rhapsody‹ or ›The Gong Station‹.
Olivia Sorrel-Dejerine: The spooky world of the ‘numbers stations’ (BBC News Magazine 16 April 2014)
The Lincolnshire Poacher is the name of a radio station, so named because of two bars from the traditional English folk tune of the same name being used as an ›interval signal‹. This station -reportedly active until 2008 and transmitted from Cyprus – was believed to be operated by the British Secret Intelligence Service, and was one of the most famous and active ›numbers station‹. The so-called Numbers stations are mysterious shortwave radio channels of indiscernible origin that exist in countries all across the world and have been reported since World War I. They are identifiable by the unusual contents of their broadcasts: seemingly random sequences of numbers, words, letters (usually spoken by artificially generated voices), tunes, Morse code, bizarre electronic-like noises and signals, like the spooky bleep that UVP-76 (a Russian station) still emits on daily basis.
The most common theory regarding the purpose of these eerie and bizarre broadcasts is that they’re used by governments the world over to secretly transmit encrypted messages to spies.
More than 50 historical radio recordings of such encrypted communications appear in this piece, which borrows its title from the homonymous station. These archival materials are the starting point for an imitation game that involves the 6 instruments and their digital processing, which features modulation techniques that were, and still are, commonly used for radio and television transmission.
The piece deals with the aesthetics of ground noise, white noise, and with the secret messages hidden in the static that surrounds us. It is also, somehow, an un-nostalgic homage to the Cold War era, whose ghosts haven’t stopped yet to haunt our lives.
Mauro Lanza