Seit 2010 arbeitet der in Australien geborene, in London lebende Komponist Matthew Shlomowitz an der Werkreihe Popular Contexts, deren Fokus der Komponist so beschreibt: »Popular Contexts ist eine Reihe von Werken, die voraufgezeichnete Klänge mit live gespielter Instrumentalmusik verbinden, um verschiedene Aspekte der Alltags- und Popkultur zu untersuchen.« Jedem dieser bislang acht Werke für unterschiedliche Besetzungen von Klavier solo bis Ensemble liegt dabei ein bestimmtes ›Thema‹ zugrunde. Volume 3 etwa setzt sich mit The Music of Theatre Making auseinander, Volume 7 mit Public Domain Music. Die fünf Klanglandschaften, die Matthew Shlomowitz in Volume 8 der Popular Contexts für den ›contemporary percussionist‹ Håkon Stene geschrieben hat, tragen die Titel Drummin’ in the Rain, Exotic tourism in recorded sound history, Session Drummer, Comfortably Glock und Trumpet Sequences, vermitteln also schon eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, welcher Art die Klänge sind, die Shlomowitz hier verwendet.
Die Auseinandersetzung mit Popmusik und dem akustischen Alltag macht Popular Contexts zu einer Art Schwesterwerk von Hannes Seidls Schlagzeugstück Die Illusion zu erzeugen, dass die Zeit dynamisch und bedeutsam vergeht, zu hören bei Ultraschall Berlin im Konzert am 23.01. um 22.30 Uhr. Beide Komponisten treibt ein kompositorisch-wissenschaftliches Interesse, unser Hören – und zwar gerade nicht das konzentrierte Hören im Konzertsaal – zum Gegenstand künstlerischer Kreativität zu machen.
Wie denn überhaupt das Bestreben, die eigene Musik im Kontext (auch) populärer Musik zu diskutieren, für zahlreiche jüngere Komponisten ein wichtiges Anliegen ist. Mögen die Debatten über ›Diesseitigkeit‹ auch gelegentlich an ihrem polemischen Überschwang leiden, zeigen sie doch deutlich, dass sich in den letzten Jahren eine deutliche ästhetische Akzentverlagerung hin zu einer neugierig-subversiv-konzeptuellen Beschäftigung mit dem akustischen Alltag vollzogen hat.
Rainer Pöllmann