Das Klavier ist zweifellos eines der wirkmächtigsten Instrumente der westlich geprägten Musikgeschichte. In den immer noch das Konzertleben dominierenden Musikepochen Klassik und Romantik, aber auch weit in die Moderne, war es der zentrale, sehr prominente Klangerzeuger und die Apparatur, an der vor allem experimentiert und damit Musikgeschichte geschrieben wurde. Was für eine Bürde an Tradition für Musikschaffende von heute! Was für eine Zumutung letztendlich! Das Klavier fordert heraus. Da gibt es kein Entweichen. Komponierende von heute müssen sich dazu ästhetisch verhalten. Der Komponist Luca Francesconi hat das Klavier in einem Interview einmal als „wahrlich eine Kriegsmaschine mit Eigenschaften eines Chamäleons“ bezeichnet. Für sein Konzert Macchine in echo hat er den Stier mutig bei den Hörnern genommen und gleich zwei Klaviere eingesetzt – „Teufelsmaschinen“, wie er sie nennt, „furchterregend kraftvoll“. Luca Francesconi muss es wissen, schließlich hat er – neben dem Fach Komposition bei Azio Corghi, Karlheinz Stockhausen and Luciano Berio und Jazz in Boston – in seiner Geburtststadt Mailand auch Klavier studiert. In einem aus geistreichen Aphorismen und persönlichen Beobachtungen bestehenden Werkkommentar zu Macchine in echo hat Luca Francesconi erklärt: „Dem Instrument Pianoforte haftet etwas Rituelles an, das mich immer fasziniert hat. / Zunächst ist da der ursprüngliche Akt des Schlagens auf eine Saite, oder besser gesagt auf ein schwingendes Material, das große Kräfte freisetzt. / Dann ist da die Entfaltung dieser Aktion in Form einer enormen Bandbreite von Frequenzen und eine extrem ausgeklügelte Anschlagmechanik, die Beweglichkeit, Schnelligkeit und feinste Nuancen im Spiel erlaubt. / Das Instrument hält die perfekte Balance in der Widersprüchlichkeit zwischen instinktiven Kräften und durchdachter rationaler Organisation.“ Francesconi erwähnt in seinen Ausführungen auch, er habe ursprünglich geplant, sein Werk extreme motivations zu nennen, „um den Kampf zwischen den dionysischen Energien und der Macht der Strukturen zu unterstreichen“. Schließlich hat er sich jedoch für den Titel Macchine in Echo entschieden. Tatsächlich besteht dieses Orchesterwerk aus vielfältigen Echowirkungen im weiteren Sinne von aufeinander reagierenden Klängen und Interaktionen. Dabei treten nicht nur die beiden Soloklaviere in verschiedene Dialoge, sondern auch das Orchester. Es gerät zum ausgeweiteten, vielfach widerhallenden Resonanzboden der beiden Klaviere, kann sich aber auch als ebenbürtiger Sparringspartner profilieren. Insgesamt wirkt Macchine in Echo auf diese Weise wie ein überdimensionales Spiegelkabinett für Klanggestalten. Dieses Spiel der Spiegelungen und Verdoppelungen wird hier ins Extrem getrieben: nicht bloß weil das Orchester groß besetzt ist und mit einer eindrucksvollen Vielfalt an Schlaginstrumenten aufwartet, sondern weil sich im Orchester – um das Spiel der Spiegelungen noch weiter zu treiben – zusätzlich ein Klavier befindet. Damit nicht genug, gibt es im Orchester auch noch ein Keyboard, das teils mikrotonal verschobene Klänge erzeugt und solche, die sich durch Präparationen ergeben, und schließlich das Tasteninstrument Akkordeon mit seiner eigenen Klangfarbenpalette.
Eingangs wird in Macchine in Echo den beiden Soloklavieren die Bühne überlassen. Diese Einsätze bringen gleich ihre Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit eindrücklich zur Geltung: von zartesten, filigranen Tongespinsten bis zu kraftvollen Klangballungen, von scharfkantiger Linienführung bis zu perlenden Läufen. Sobald sich das Orchester als klangliche Erweiterung einschaltet, gibt es Dialoge und klangliche Widerspiegelungen, sehr markant etwa zwischen den Soloklavieren und der Harfe oder mit den Xylophonen aus der umfangreichen Schlagzeuggruppe. Rollende Akkorde in den Klavieren finden ihre Gegenparts in den tiefen Blechbläsern und den Trommeln. Bei der insgesamt großen Besetzung des gesamten Klangkörpers werden natürlich auch zwischendurch die Muskelspiele klanglicher Überwältigungsstrategien erprobt, die Fähigkeit der Klaviere wie auch des Orchesters, enorme rhythmische Energien freizusetzen und schließlich das stets magisch wirkende Umschlagen von Klang in Geräusch. Spannend sind zudem die klanglichen Verschmelzungen, wenn die Klavierklänge im Orchesterkollektiv nahezu untertauchen, um danach wieder deutlich wahrnehmbar hervorzutreten. Auch auf den großen Tonumfang des Klaviers, auf die extremen Register in der Höhe und Tiefe mit ihren ganz eigenen Färbungen, wird im Orchester mit unterschiedlichen Instrumentengruppen reagiert. Und auf die Möglichkeiten, verschleierte, verschattete und gedämpfte Klänge zu erzeugen, sowie auf die schnellen Läufe, Glissandi und Umspielungen, die auf der Klaviertstatur möglich sind. Hier treten vor allem die Schlaginstrumente auf den Plan.
Gegen Ende werden dem – vermeintlichen – Alleskönner Klavier sogar seine Grenzen aufgezeigt: Jene geschmeidigen Liegetöne, die Streicher als nahezu endlose Klangfläche produzieren können, auch die Blasinstrumente, so lange der Atem reicht, sind auf dem Klavier bei aller technischer Finesse nur unzureichend mit Tonrepetitionen nachzuahmen. Insofern stehen in Macchine in echo nicht bloß die beiden Soloklaviere prominent im Rampenlicht, sondern beim gegenseitigen Bespiegeln und Kräftemessen auch die Orchesterinstrumente mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, Farben und harmonische sowie rhythmische Energien hevorzubringen.
Als Hommage an seinen Lehrer Luciano Berio, dessen Assistent Luca Francesconi von 1981 bis 1984 war, hat er zwischendurch einen dezenten Hinweis auf dessen Concerto für zwei Klaviere und Orchester (1973) eingebaut. Das Werk habe ihn, so Luca Francesconi, in seiner Entwicklung nachhaltig geprägt. Machine in Echo hat Luca Francesconi für das GrauSchumacher Piano Duo geschrieben, die es Oktober 2015 mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Peter Rundel uraufgeführt haben.