In seiner Musik geht es um »streng auskonstruierte Verweigerung, Ausperrung dessen, worin sich mir Hör-Erwarungen als gesellschaftlich vorgeformt darstellen«, hat Helmut Lachenmann seinen künstlerischen Ansatz einmal auf den Punkt gebracht. Seine Werke lassen aufhorchen und machen auf sich aufmerksam, weil sie das Publikum aus der Lethargie des Selbstverständlichen und des Gewohnten zu ziehen. Für ihn bedeute Komponieren, über die Mittel nachzudenken, so Helmut Lachenmann: »Musik als existenzielle Erfahrung«. Seit Ende der 1960er entwickelte er seinen Ansatz einer »Musique concrète instrumentale« in Anlehnung an die Strömung der Musique concrète, die in Alltagsgeräuschen und ihrer elektronischen Weiterverarbeitung ungeahnte Klangqualitäten in die Musik brachte.
Dal niente (Intérieur III) für Soloklarinette ist 1970 entstanden, als Lachenmann seine ästhetischen Überzeugungen gerade an verschiedenen Instrumenten und in diversen Formen ausprobierte. Dementsprechend erfordert das Stück ausgeweitete Spieltechniken jenseits der traditionellen Tonerzeugung. Neben brüsken Registerwechseln und Dynamikkontrasten bestimmen auch stimmlose Klänge, Blasgeräusche, körnige, raue und geräuschhafte Klänge und auch die Betätigung der Klappen des Instruments das Geschehen. Das Stück ist eine konsequente Erforschung nahezu aller klanggebenden Möglichkeiten des Instruments. Aber auch – durchaus als ironische Seitenhiebe – die Klischees aus der traditionellen Aura der Klarinette, quirlige Umspielungen und rasante Skalenläufe, blitzen kurz hervor. Auch nach 40 Jahren hat Dal niente (Intérieur III) keine Patina angesetzt. Es ist noch immer spannend und faszinierend zu erleben, wie dieses Stück den Fokus auf den Akt der Klangerzeugung legt und die Kontraste in der Energiezufuhr nahebringt.
Eckhard Weber