»Die westliche Tradition in all ihren Facetten klingt in ihr an«, sagt der Musikpublizist und Dichter Paul Griffiths über die Musik von Hans Abrahamsen, »alte Volksliedmelodien, die Natur mit der schwingenden Struktur des Klangs an sich. Dennoch hat die Musik von Hans Abrahamsen die Frische von etwas Unberührtem …« Der dänische Komponist wuchs künstlerisch mit der Strömung der dänischen Ny Enkelhed (»Neue Einfachheit«) auf und hatte zwischendurch eine neoromantische Phase. Beeinflusst ist er vor allem von Per Nørgård, Steve Reich und György Ligeti, doch hat Abrahamsen längst seine eigene Stimme gefunden. Für sein Stück Let me tell you für Sopran und Orchester, das 2013 in Berlin mit Barbara Hannigan und den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Andris Nelsons uraufgeführt wurde, gewann der Komponist 2016 den prestigeträchtigen US-amerikanischen Grawemeyer Award.
Sein kurzes Violinstück Capriccio Bagateller (1990) komponierte Hans Abrahamsen zu einer Zeit, als er international noch wenig bekannt war. Mittlerweile hat sich das Werk im Solorepertoire für Violine etabliert. Das kurze Stück ist dramatisch und meditativ zugleich, es versammelt vielfältige Kontraste in äußerster Konzentration und hat gleichzeitig eine ungeheure Intensität, die in ihren Bann zieht. Auf engstem Raum wechseln sich diffuses Flirren, vibrierende Zwischentöne und scharf konturierte Akzente ab. Die Musik ist gleichzeitig bestimmt von kraftvollen Linienführungen, Vollklang, verschatteten Gestalten, flackernden Obertönen und fahlen Klangflächen. Alles ohne Schnörkel, sehr konzentriert, auf den Punkt.
Eckhard Weber