Georges Aperghis ist als Komponist stark vom Theater geprägt. Seit den 1970er Jahren hat er mit einer ganzen Reihe von eigenen Werken, oft in Zusammenarbeit mit seiner Theatergruppe Atelier Théâtre et Musique, neuartige Formen des Musiktheaters ausprobiert, und sich später auch mit Tanztheaters und Film auseinandergesetzt. Wenn er Kammermusik schreibt, denkt Georges Aperghis natürlich ebenso in Kategorien des Theatralen und des Dramatischen, bezieht Aspekte eines Schaucharakters und sogar des Zirzensischen ein. Seine für das Trio Accanto komponierte Kammermusik Trio Funambule, im Februar 2015 beim Festival ECLAT in Stuttgart uraufgeführt, trägt das Zirkusspektakel sogar im Titel. Der französische Begriff funanmbule bedeutet »Seiltänzer«, »Akrobat«, »Hochseilartist« – und genau solch eine Darbietung wird in dieser Musik verhandelt: Es geht um Gleichgewicht und Ausbalancierung, das Aushandeln von Gegensätzen und auch um das musikalische Aufeinanderzugehen. Die drei unterschiedlichen Instrumente Saxophon, Klavier und Schlagzeug nähern sich in Trio Funambule musikalisch aneinander an: So stellt das Saxophon seine Wendigkeit mit betont rhythmisch geprägten Einsätzen unter Beweis, was sogar bis zu stimmlosen Rhythmusfiguren reicht. Das Klavier wiederum hebt seine perkussiven Qualitäten durch energetische Anschlagskraft hervor. Das Schlagzeug dagegen zeigt sich in der Auswahl der eingesetzten Instrumente von seiner melodischen Seiten. So kommt das Glockenspiel mit seinen differenzierten Tonhöhen zum Einsatz, zudem Instrumente wie Flexaton, Schnarre und Lotusflöte, die eindrucksvolle Glissandi hervorbringen können. Gleichzeitig haben diese drei immer wieder im Film, Hörspiel und Theater als Effektinstrumente Verwendung gefunden, eine Bedeutungsebene, die zweifellos von Georges Aperghis hier mitbedacht wurde. Daneben kommen im Schlagzeug vorwiegend obertonreiche Metallophone wie Wassergong und Hi-Hat, aber auch »6 kleine Metallobjekte«, zum Einsatz. Abgesehen von dieser graduellen Ausbalancierung des Melodisch-Rhythmischen durch Annäherung der Instrumente ist allen drei Interpreten in ihren Parts eine sehr gestisch geprägte Schreibweise gemeinsam. Sie reagieren permanent aufeinander als gleichberechtigte Partner. Die traditionellen Spezialisierungen in Melodieinstrument (Saxophon), Harmonieinstrument (Klavier) und Rhythmusinstrument (Schlagzeug) werden dadurch irrelevant. Stattdessen zählt, dass alle drei musikalisch in der »Balance« sind – im Sinne eines Gleichgewichts der Kräfte. Nur auf diese Weise ergibt sich die reizvolle Mischung der Farben und Nuancen. Würde bei diesem Miteinander ein Spieler ausscheren und dominieren, würde der klingende Drahtseilakt nicht gelingen.
Eckhard Weber