Der virtuose Umgang mit Text – als menschliche Lautmaschine – ist auch ein Merkmal der Arbeitsweise von Georges Aperghis. In vielen seiner Kompositionen entwickelt der 1945 geborene Grieche eine Art ›Sprachmusik‹, die sich aus einzelnen Phonemen zusammensetzt; Produkten der Segmentierung von Sprache, die zwischen konkreten Textfragmenten und einem eher abstrahierten, sprachähnlichen Klang changieren. Ähnlich wie Michael Beil geht es Aperghis also weniger um Wortverständlichkeit als vielmehr um die Wirkung der sprachlichen Artikulation. So sind auch die Personen in seinen Vokalwerken nicht unbedingt mit Rollen in einem Handlungszusammenhang verknüpft, sondern stellen eher Positionen dar bzw. stehen für einen allgemeinen Adressaten oder Adressanten. So auch in seiner Komposition Passwords von 2016: »Das Passwort«, so Aperghis, »wurde früher von Militärs gebraucht, um sich an Grenzen auszuweisen. Heute sind wir durch Passwörter und Zugangsdaten in unserem Alltag heimgesucht, wir kreieren Amalgame von Worten und Chiffren, um uns abzusichern. Die verwendeten Worte sind ihres ursprünglichen Sinnes beraubt und ihre Anordnung untereinander erzeugt eine ungewöhnliche Syntax, eine Art Polyphonie nichtssagender Bedeutung. Dieser Sache geben sich die sechs Sänger im Stück hin – im Versuch, die Veränderungen der Kombinationen, mit denen sie operieren, zu bezwingen.«
Es genügt ein kurzer Blick in Georges Aperghis’ Werkkatalog, um zu erkennen, dass das Schreiben von Vokalkompositionen zu seinen Vorlieben gehört. Viele der dabei entstehenden Arbeiten sind gleichermaßen Atmosphärenmalerei, inhaltliche Botschaft sowie abstraktes Formspiel. Es ist gerade der Widerspruch zwischen Sprechen und Singen, der ihn reizt: »Die gesprochene Sprache ist zunächst das Natürliche. Wenn man einen Text singt, ist das nicht normal. Denn singt man beispielsweise einzelne Silben sehr laut, reißt man damit die Worte auseinander und flößt ihnen einen neuen Sinn ein. Zwischen gesprochener und gesungener Sprache gibt es viele verschiedene Zustände, die mich interessieren. Außerdem habe ich selbst keine kräftige Stimme. Es fällt mir sehr schwer zu sprechen; zum Beispiel vor vielen Menschen. Und damit hängt der Umstand zusammen, dass ich sehr darauf achte, wie jemand spricht.«
Leonie Reineke