Der Titel spielt auf eines der berühmtesten Bücher von E.T.A. Hoffmann an, die Fantasiestücke in Callots Manier, die 1814/15 und in zweiter Auflage 1819 erschienen. In der Vorrede zu dieser Sammlung von Erzählungen (darunter eine so musikaffine wie Ritter Gluck) entwickelt Hoffmann eine Ästhetik des synästhetischen Übergangs zwischen den einzelnen Kunstsparten. Er verweist auf die Ähnlichkeit des Schaffensprozesses zwischen Dichter und Musiker und bezeichnet die Kupferstiche Callots als »Kompositionen «. Wenn nun Cerha in seiner Komposition explizit Bezug auf den Dichter Hoffmann nimmt, schließt sich in gewisser Weise ein Kreis zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik. Und wie Hoffmanns Erzählungen, so eignet auch Cerhas Komposition ein genuin ›romantischer‹ Ton, der freilich, wie es sich gehört, die Abgründe nicht verleugnet.
Der Untertitel der Fantasiestücke in Callots Manier lautet übrigens: Blätter aus dem Tagebuche eines reisenden Enthusiasten. Auf Reise-Erfahrungen, die in ›außereuropäischen‹ Kompositionstechniken Eingang in die Partitur gefunden haben, nimmt Cerha in einem Text zu seinem Phantasiestück denn auch reichlich Bezug. »Ich könnte auf die Anregungen zu polymetrischen Bildungen hinweisen, die ich aus afrikanischer Musik erhalten habe, zu heterophonen Bildungen aus der arabischen Musik, auf Gestalten, die durch die Rhythmen der Papuas am Sepik in Neuguinea inspiriert sind; ich könnte von meinen Schwierigkeiten mit dem Solokonzert berichten, dessen Form ich hier sorgfältig gemieden habe, von dem Magisch-Gespenstischen, das sich von den Radierungen Jacques Callots über den Dichter E.T.A. Hoffmann, der darauf Bezug nimmt, bis in meine musikalischen Manieren hinzieht….«
Cerha schrieb das Phantasiestück im Jahr 1989 für den Cellisten Heinrich Schiff – worauf der launige Untertitel ›auf dem Schiff zu singen‹ verweist – , später wurde es zum Mittelsatz des ebenfalls Heinrich Schiff gewidmeten Konzerts für Violoncello und Orchester.
Rainer Pöllmann