Mit seinen Lecture-Performances hat der schwedische Klangkünstler Erik Bünger ein Format entwickelt, das performative und diskursive Elemente durchmischt. Einerseits trägt Bünger Forschungsergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen zusammen und formuliert auf deren Basis eigene Thesen zur Musik. Andererseits ist sein Vortrag selbst eine künstlerische Form, die durchkomponiert und auf kunstvolle Weise collagiert wurde, in der Sprache, Musik und Film in einer großen Erzählung zueinander finden. Seine erste Lecture-Performance widmet sich der Schizophonie, jenem Phänomen also, bei dem ein Klang von der ihn hervorbringenden Quelle getrennt wird. Der kanadische Klangkünstler R. Murray Schafer erfand das Wort, um einen derart aus seinem Ursprungszusammenhang herausgelösten Klang in der Lautsprechermusik zu beschreiben. Wenn ein Hund einen Lautsprecher anbellt, ein Kind hinter den Lautsprecher blickt oder Unwissende glauben, man habe, als man ihre Stimme auf Band festhielt, ihnen auch die Seele geraubt, dann sind das Auswirkungen von Schizophonie.
Bekannt ist das Phänomen seit der Erfindung des Telefons und des Fonografen, jener Apparate also, die einen Bruch in der Wahrnehmung der menschlichen Stimme und ihres Körpers herbeiführten. Geradezu prophetisch und manchmal gar Unheil verkündend sprechen Stimmen seither aus falschen Mündern, aus Gräbern und anderen unglaublichen Orten. Aber auch die Wahrnehmung unserer selbst hat sich geändert, seitdem wir in der Lage sind, unsere eigene Stimme aus der Distanz zu hören. Bünger geht dem Phänomen mit Beispielen aus der Musik- und Filmgeschichte nach.
Björn Gottstein