Bernard Parmegiani war der Grandseigneur der elektroakustischen Musik – und blieb zeit seines Lebens doch ein Geheimtipp. Erst nach seinem Tode 2013 wurde auch einer größeren Öffentlichkeit bewusst, in welchem Ausmaß er die Geschichte der elektronischen Musik beeinflusst hat. Parmegiani, langjähriger Leiter des Pariser GRM-Studios, gilt für viele als der Meister der Tonbandkomposition. Seine Konzertstücke blieben hingegen weitgehend unbekannt: neben Violostries für Violine und Tonband auch zwei Werke für das Synthesizer-Trio tm+, nämlich Exercisme I und Stries. tm+ – das waren Yann Geslin, Denis Dufourt und Laurent Cuniot aus Paris – forschten von Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre nach Möglichkeiten, Live-Elektronik auf der Konzertbühne zu präsentieren. Dabei erarbeiteten sie sich ein Repertoire von annähernd 40 Stücken, unter anderem von Hugues Dufourt, Ivo Malec und eben Parmegiani. Als die Möglichkeiten der digitalen Signalverarbeitung die analogen Synthesizer verdrängten, verschwand allerdings auch diese Tradition der live-elektronischen Musik. Auch ein herausragendes Werk wie Stries, 1980 für tm+ komponiert, wurde nach 1984 jahrzehntelang nicht mehr gespielt.
Stries ist mit drei Synthesizern und einem Tonband besetzt. Die drei Teile des Werks, die auch einzeln gespielt werden können, sind Strilento für Tonband solo, Strio für Tonband und improvisierende Synthesizer und schließlich, dem gesamten Zyklus seinen Namen gebend, Stries mit einer auskomponierten Partitur für die drei Musiker mit Tonband.
Parmegiani schafft in Stries eine atmosphärische Klangwelt voller Drones und kleinen Klangcharakteren, die aber weder als Alliteration an die Wirklichkeit noch als musikalische Erzählung verstanden werden wollen. Parmegiani formte reinen Klang, der sich im ganzen Zyklus auf über 50 Minuten entfaltet. Nach einigen Aufführungen des Einzelsatzes kommt nun erstmals das ganze Triptychon zur Aufführung.
Vor den Wiederaufführungen stand allerdings der Gang durch die Archive. In geradezu archäologischer Manier konnten mit der Hilfe von Yann Geslin, einem der damaligen Ensemblemitglieder, die alten Synthesizer (ein Yamaha CS-40M, ein Roland System 100/System 100M und ein Synthi AKS) und Patches wieder aufgefunden und ihre Signalwege nachgestellt werden. Diese Materialien wurden anschließend auf moderne Systeme übertragen, sodass Stries nach einer neunmonatigen Restaurationsarbeit heute wieder aufführbar ist. Im Zuge der Restauration wurde das Werk überdies auf eine Weise notiert, die es erlaubt, es auch in Zukunft aufzuführen, sodass wir hoffentlich bald auf eine eigene Interpretationsgeschichte der Konzertstücke Parmegianis blicken können.
Sebastian Berweck