Beat Furrers Duowerk Lied für Violine und Klavier ist eine instrumentale Elegie. Es wirkt wie der Nachhall eines traurigen Schubertlieds, extrem kondensiert. Tatsächlich entstand Lied 1993 als Auftragswerk für einen Schubertzyklus in der Kölner Philharmonie mit dem Geiger Thomas Zehetmair und dem Pianisten Siegfried Mauser.
Beat Furrer bemerkte zu Lied: »Geige und Klavier finden kein gemeinsames Metrum – in ganz leicht unterschiedlichen Tempi nähern sie sich bzw. entfernen sich wieder voneinander. / Klänge scheinen sich zu erinnern – das Anfangsmotiv aus Schuberts Lied Auf dem Flusse (Winterreise) scheint – ohne zitiert zu werden – wie aus der Ferne hörbar.«
Die Winterreise, Schuberts klingendes Roadmovie über einen unglücklich Verliebten, dem der Boden unter den Füßen weggezogen ist, der alles hinter sich gelassen hat und in Winterskälte ziellos umherirrt, war hier also ein Referenzpunkt. Das erwähnte Schubert-Lied zeigt mit der Metapher des von einer Eisdecke überzogenen, erstarrten Fluss, dass nichts mehr ist wie vorher. Und doch bleibt das zurückgewiesene Begehren heftig: »Mein Herz, in diesem Bache / Erkennst du nun dein Bild? / Ob’s unter seiner Rinde / Wohl auch so reißend schwillt?«. Beat Furrers Lied folgt mit seiner ausgedünnten, rhythmisch unregelmäßigen Klavierbegleitung dem Vorbild von Schubertliedern, hier quasi als »Lied ohne Worte«. Die »singende« Violine bringt indes lediglich kurze Exklamationen hervor und erst allmählich Ansätze von Gesang. Ihr Part ist ein zerbrochenes Klagelied, ein Versuch, in den vielen Vorstößen die eigene Stimme wieder zu finden. Das Klavier liefert dabei nicht nur die dezente Begleitung, sondern unterstützt die Ansätze der Violine in einem sensiblen Dialog. Gerade dieses Fragmentarische und dieses Behutsame sind überaus berührend an Furrers Stück.
Eckhard Weber