Eigentlich sind wir alle nicht hier um Nachrichten zu hören. Natürlich kann man ein Konzert mit einem Bericht über Wohnungen, Diskussionen über Kriminalität und das Wetter in Neuruppin beginnen. Aber es vermittelt schon einen besonderen Eindruck, wenn man, da die Musik im Radio übertragen wird, erst noch das vorherige Programm hört, damit für alle Hörer*innen, auch die am Radio, eine zusammenhängende Sendung entsteht. Eine Sendung mit drei Stücken aus dem Bereich der Neuen Musik, begonnen mit „Mary/Transcendence after Trauma“ von Liza Lim. Ein Stück, das rund fünfzehn Minuten geht und zu keinem Zeitpunkt langweilig ist.
Das Werk beschäftigt sich auf musikalischer Ebene mit der Geschichte von Maria. Genau, der Maria, die Gottes Sohn zur Welt gebracht hat. Entsprechend beginnt das Stück mit Herzschlägen, die mit einer Donnertrommel erzeugt werden, welche der Konzertmeister spielt. Dann setzt langsam das Orchester ein und der erste Geiger kehrt auch recht schnell wieder zu seinem namensgebenden Instrument zurück. Nicht nur visuell sind erst einmal die Streicher sehr präsent. Klanglich ist die Musik zunächst recht angespannt, aber nicht unangenehm. Es ist mehr ein deutlicher hörbarer Aufbau als ein geschmettertes Finale, wir sind ja auch noch am Anfang, oder? Und schon ein erster Höhepunkt samt lauten Paukenschlägen.
Durch das ganze, 2020 uraufgeführte Stück zieht sich ein Wechsel zwischen sehr lauten, kraftvollen Momenten, die auch mal in den Ohren wehtun können und eher ruhigen, getragenen Phasen, in denen immer wieder einzelne Instrumente vorgestellt werden. Am Anfang, kurz nach einem klaren Break, spielen erst nur Flügel und Schlagwerk, dann wird die Perkussion vom Horn abgelöst, dann plötzlich eine Pause – und das ganze Orchester ist wieder dabei.
Dieses „Motiv“ taucht immer wieder auf. Die Musik wird auf wenige Instrumente reduziert, die für eine kurze Zeit in gewissem Sinne vorgestellt werden und dann wieder den Rest des Orchesters, auf dem Weg zu einem erneuten Zusammenspiel, anführen.
Gegen Ende gibt es eine wirklich sehr laute Stelle, bei der die Bläser gefühlt die Decke des Saals zum Beben bringen und dieses Wachrütteln des Publikums ist etwas, das sich durch das gesamte Stück zieht – eine große Stärke dieses Werks. Egal ob man die Musik mag oder nicht, man wird immer wieder zurückgeholt und gezwungen, dabei zu sein.
Das Stück endet recht ruhig und hat einen unerwarteten Schluss. Wenn man so will, bleibt es also dem Prinzip treu, die Zuhörenden nicht einschlafen zu lassen. Man hat eine längere ruhige Passage und denkt sich gerade, ob man einen Blick auf das Programmheft oder die Uhr wirft und plötzlich ist die Musik weg und einem fällt auf, dass man mal klatschen könnte.