Was genau mit dem grünen Licht auf dem Weg in die Katakomben des Silent Green vermittelt werden soll, wird nicht ganz klar. Atmosphärisch ist es trotzdem der Hammer. Man geht eine breite Rampe hinab und fühlt sich wie in der Kulisse eine Science-Fiction-Films. Dann biegt man links ab und ist auch schnell in der „Betonhalle“. Hier wird gleich die deutsche Erstaufführung von „inhabit_inhibit“ stattfinden, gespielt vom Ensemblekollektiv Berlin. Diese Musikerinnen und Musiker verschiedener Berliner neue Musik-Ensembles sitzen im ganzen Raum verteilt, wie Felsen in einem Meer aus Publikum. Ganz in der Mitte wird der Dirigent, Max Murray, Platz haben. Allein schon visuell ist das von Stefan Prins komponierte Stück brillant umgesetzt, doch dementsprechend hat man auch gewisse Erwartungen an den klanglichen Eindruck.
Es beginnt mit einer Kombination aus Rattern und Rauschen. Hier kann man eine erste Stärke des Stückes festmachen. Nicht nur durch die im Raum verteilten Künstler*innen, sondern auch durch technisches Feedback kommen die Klänge mal aus dieser, mal aus jener Richtung, was für eine interessante Form der Abwechslung sorgt. Von links ein quietschender Streicher, von rechts knisterndes Rauschen, von vorne ein ärgerlicher Mann, der ein Paar darauf hinweist, doch bitte leise zu sein. Hier schon mal eine Weisheit für alle Konzerte, die auf diese Weise aufgebaut sind: Konzentrieren Sie sich auf zwei Dinge. Erstens: Wo befinden sich welche Instrumente? Denn oft weiß man nicht auf den ersten „Horch“, welches Instrument welches Geräusch gemacht hat. Und entsprechend der zweite Punkt: Beim Schlagwerk erkennt man das in der Regel sehr gut, es gibt also nicht den geringsten Anlass, sich dort in die Nähe zu setzen. Man weiß nie, ob gerade die gespannte Tierhaut oder das eigene Trommelfell geknallt hat.
Doch wäre es ja langweilig, wenn man nur lautes, schmerzhaftes Lärmen zu hören bekommt. Klar, es ist wichtig, dass auch mal etwas passiert, aber Kontrast ist mindestens genauso bedeutend. Und Kontraste bietet das Stück viele. Oft hört man vor allem schrille, piepende und kreischende Töne, die sich gut abheben, doch immer wieder verschmelzen sie auch, dann schwellen die Klänge zu einem Sturm an und bilden ein homogenes Gemisch, das sich dann aber auch wieder beruhigt. Auch gibt es immer wieder Pausen, teils sehr plötzlich. Es existiert ganz klar eine Struktur aus ruhigen Passagen und eher lauten, intensiven Stellen, die regelmäßig die Belastbarkeit der Gehörgänge herausfordern. Diese Struktur ist zweifellos wichtig, doch die wahre Stärke des Stücks ist seine unglaubliche Abwechslung bei den verschiedenen erzeugten Tönen.
Fünfzig Minuten, dabei auch noch mehrfach unangenehm laut oder schrill. Das klingt alles nach einem Horrortrip auf mit Waschmittel gestreckten Psychedelika. Doch dem ist nicht so. Die Zeit geht erstaunlich schnell. Von einem Geräusch wie von einem driftenden Auto über die bei diesem Festival nicht zum ersten Mal aufgetretenen Bohrmaschinenklänge, bis hin zum Piepen, das für einen Tinnitus etwas zu tief ist. Und natürlich die ziemlich unvergesslichen Klänge vom Schlagwerk, die man irgendwo zwischen Glock und Böller einordnen kann. Es gibt auch verschiedene Arten von Rauschen, als wäre man in einem Tutorial für die Erkennung verschiedener Winde.
Während man all das in sich aufnimmt, vergeht zügig die Zeit und man wundert sich fast schon, wie ruhig das Stück endet. Ein einzelner, metallener Ton vom Schlagwerk, der langsam verklingt. Das Stück hat zweifellos seine Längen und ganz so viele auditive Schockmomente hätten nicht unbedingt sein müssen, doch durch die verschiedenen Klänge und einen völlig neuen Eindruck davon, was man aus eigentlich völlig klassischen Instrumenten wie einem Horn oder einer Geige herausholen kann.