Dass mich der Eröffnungsabend bewegt hat, wäre wohl eine Verharmlosung. Er hat mich in den Sitz gepresst, mal darüber schweben lassen, um mich dann wieder ins Polster fallen zu lassen, wo der Raum um mich herum geflutet wurde.
Es beginnt mit schwirrenden Streicherklängen aus Dieter Ammanns „glut“ und versetzt mich angesichts der rasenden Geschwindigkeit in Schwindel. Ich fühle mich wie in einem Zug, der durch viele Tunnel rast. Gefangen in einem Film voller kurz aufblitzender überschäumender Bilder und Ideen drehe und wende ich mich, um ein Detail zu fassen zu bekommen, aber meist gelingt es mir nicht. Immer, wenn ich denke: „Ah, den Film kenne ich doch“, wird es wieder ganz anders. Klar voneinander abgegrenzte Motive versuche ich zu verbinden zu einer Geschichte, aber bald muss ich darauf vertrauen, dass sich das Arrangement der Elemente sich mir im Nachhinein erschließen wird. Ich folge den komisch-schönen, teils grotesken Klängen, die mich immer wieder neu aufhorchen lassen und dann, plötzlich, bricht es immer wieder ab. Interessant, erschöpfend und sehr lebendig. Die Zugänglichkeit ist nur vorgegeben; bei aller Verspieltheit baut Ammann bewusst Falltüren ein, aus denen ich gerade wieder rausgeklettert bin, nur um in den nächsten Graben zu kippen. Dann ein abruptes Ende – ein Raum drückender Stille weitet sich aus, in dem die vergangenen Minuten nachhallen.
Luca Francesconis “Macchine in echo” sind dran. Ein Stück für zwei Flügel, die sich direkt gegenüberstehen, dahinter das voll besetzte Orchester plus Orchesterflügel und Akkordeon. Eine Anordnung, die mich fragen lässt: „Wer ist es, der spielt?“ Den Glauben, dass es sich hier nur um stumpfe, programmierte Maschinen handelt, werfe ich schnell über Bord. Diese Maschinen führen ein Eigenleben. So zanken sich beide Klaviere im Folgenden untereinander, dann aber auch mit den Klängen des Orchesters. Ein lustvolles Machtspiel, dem ich gerne zuhöre und zu dem ich eher einen sprachlich-theoretischen als einen bildlichen oder rein musikalischen Zugang finde.
Das Element Quecksilber gibt dem nächsten Stück von Milica Djordjević („Quicksilver“) seinen Namen. Ein Stück, dessen Klangräume ebenso schillernd und beweglich sind wie das flüssige Schwermetall. Die Komponistin berichtet eingangs von ihrer Herangehensweise als Künstlerin, die insbesondere visuell geprägt sei. Inspiration habe ihr beispielsweise ein Youtube-Video gegeben, in dem Quecksilber zur Goldgewinnung verwendet wurde. Noch etwas orientierungslos von den zwei vorangegangenen Stücken höre ich die ersten Töne. Doch ich habe schnell wieder Boden unter den Füßen und fühle mich nun fest an meinem Platz verankert. Es kommt mir fast so vor, als wenn sich der Raum selbst mit Flüssigkeiten fülle. Dass Flächen ineinanderfließen und sich abstoßen. Ruhig, beinah gelassen, aber auch bedrohlich in einer stetigen Vorwärtsbewegung. An einer Stelle gewinnen die sich wiederholenden Streicherklänge einen fast rituellen Charakter. Es geht immer weiter. Das weckt in mir sowohl Unbehagen als auch Zuversicht. Ich sehne mich dem Ende entgegen. Der letzte Ton kommt, hängt noch ein paar Momente in der Saalluft und dann bin ich wieder auf dem Boden. Nichts Glänzendes, nichts Beängstigendes, nichts Anziehendes mehr. Unbequeme Klappstühle, Menschen, die zu den Türen drängen. Ich wünsche mich zurück.