Hört man das Boulanger Trio auf dem Ultraschallfestival spielen, fällt seine Klangfärbung dadurch auf, dass sie nicht auffällt. Zwischen den anderen Festivalkonzerten, in denen Klänge auf Sägen, mit Keksdosen, Metronomen oder elektronischen manipulierten Instrumenten erzeugt werden, klingt der klassische, kernige, mal volle und mal zarte Klang, den Karla Haltenwanger dem Klavier, Birgit Erz der Violine und Ilona Kindt dem Violoncello bei ihrer Interpretation von fünf Klaviertrios entlocken, fast schon unexperimentell oder gewöhnlich.
Die Kompositionen von Kaija Saariaho, Sarah Nemtsov, Charlotte Bray, Isang Yun und Dieter Ammann erklingen nämlich mit Spieltechniken, die man auch aus Klaviertrios klassischer Repertoires kennt, oder die mit diesen zumindest sehr verwandt sind. Es ist vielmehr die Tonsprache, die sich nicht gleich greifen lässt und die es als Hörer zu entdecken gilt. Töne und Akkorde lassen sich selten eindeutig einer Tonart zuordnen. Sie reiben sich und schreiten in Richtungen vor, die schwer vorhersehbar sind.
Auch das Zusammenspiel der einzelnen Instrumente ist anders als in klassischen Trios. Man meint zeitweise einzelne Stimmen als Solisten und andere als Begleitung zu erkennen, aber die Rollen wechseln unentwegt. Bietet ein Instrument den anderen einen Klangteppich durch sich wiederholende Tongruppen, hat ein anderes Raum für einen Impuls oder eine Klangäußerung, die sich abhebt und in den Vordergrund drängt. Jeder dieser musikalischen Impulse kann aber auch jederzeit in den Hintergrund verschwinden, wenn andere Instrumente plötzlich etwas ändern in ihrem Spiel und dadurch in den Vordergrund drängen. Das macht das Zuhören belebt, wach, aufregend.
Yuns „Klaviertrio“ beginnt beispielsweise mit langen, sich reibende Streicherklängen. Sie klingen wie das Grundrauschen der Grillen an einem heißen Sommerabend. Haltenwanger spielt dazu am Flügel Akkorde, die sich mit ihrem metallisch und klar von den Liegetönen abheben. Glissandi des Cellos lassen an Schiffe oder Wale im Meer denken, begleitet vom beißenden Klang der hohen Töne der Geige. Diese feinen Klänge gehen dem Zuhören unter die Haut.
Dieter Ammans Komposition „Après le silence“ dagegen ist bewegt, Entwicklungen verlaufen parallel, steigern sich. Wie ein Vulkan brodeln ineinander verschachtelte Rhythmen. Cello und Klavier begleiten sich, umspielen einander, scheinen in einem schnellen Wettlauf, während die Geige lange Liegetöne spielt. Kurz danach spielen alle drei Instrumente gleichzeitig Tonfolgen. Es wirkt als würde das Tonmaterial wie spielende Löwenjunge miteinander rangeln, sich angreifen, unterbrechen. Dabei nutzt jedes Instrument geschickt Lücken der anderen aus und es entsteht ein wilder Lauf. Die Musik sprudelt, fließt wie Lava. Das Werk ist vielfältig, es wird nicht langweilig. Aber es sind auch unglaublich viele Ideen, Impulse und Formen, nach denen ich mir etwas Ruhe wünschen würde, um eine Klangzusammensetzung länger zu verfolgen.
Ein besonderer Moment ist der Beginn von Charlotte Brays „That crazed Smile”. Haltenwangers hohe Klänge am Flügel formen sich durch Repetition zu einem Muster und bereiten den Streicherklängen eine Umgebung, in denen ihre Crescendi, Decrescendi und ihre feine Vibrati große Intensität entwickeln können – ein Klangfläche, die verzaubert und an eine Eisblumenlandschaft denken lässt.
Die warm differenzierten Tonflächen, die Haltenwanger, Erz und Kindt an diesem Nachmittag mit ihrer Interpretation der Werke erschaffen, ermöglichen es mir als Zuhörerin, mich ganz in diesen Klang sinken zu lassen. Er umhüllt mich und ich genieße die Atmosphäre eines klassischen Trioklangs. Die fünf Kompositionen von Saariaho, Nemtsov, Bray, Yun und Ammann klingen natürlich nicht wie Trios von Mozart, Schubert oder Mendelson-Bartholdy. Sie sind schon neu und ungewohnt, aber ich habe keine Sorge, aufgeschreckt zu werden. Das ist ja auch mal ganz angenehm.