
Als ich am Morgen des 15.1.2020 den Saal des Hauses des Rundfunks betrete, weiß ich einzig und allein, dass hier und jetzt neue Musik geprobt wird. Gespannt warte ich also auf den Beginn der Generalprobe für das Eröffnungskonzert von Ultraschall Berlin. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin probt „Dropped drowned“ von Sarah Nemtsov und ein Violinkonzert von Jörg Widmann für den heutigen Abend. Zum ersten Mal in meinem Leben höre ich richtig moderne Musik und bin beeindruckt von den unbekannten Klängen. In der Pause und auch nach der Probe werde ich von Julia Kaiser, der Projektleiterin der UltraschallReporter, „ins kalte Wasser geworfen“. Ich solle doch mal einen der Musiker*innen ansprechen und mit ihm oder ihr über das Festival und neue Musik sprechen. Noch etwas unsicher gehe ich erst auf Johannes Watzel zu, den ich schon kenne, weil er beim Kammermusikprojekt an meiner Schule, dem Droste-Hülshoff-Gymnasium, mitmacht. Und später frage ich den Pianisten Holger Groschopp, der ein präpariertes Klavier spielt. Gerne zeigen mir beide ihre Noten und erklären mir die Besonderheiten neuer Musik. Die Notation sei oft kompliziert, der Interpretationsspielraum groß und es sei schwierig, den Klang zu finden, den sich der Komponist wünscht. Sarah Nemtsov, Komponistin eines der Werke am Eröffnungsabend, gibt mir Tipps, auf was ich in ihrem Stück „Dropped drowned“ höre könne: auf den besonderen Einsatz von Harfe und Klavier.
Nach diesem spannenden ersten Vormittag versuche ich, meine gesammelten Gedanken zu Papier zu bringen. Es fällt mir schwer, die vielen verschiedenen Informationen in einen Text zusammenzufassen. Am Abend höre ich mir das Konzert des DSO dann an und mir fällt auf, wie anders, wie besonders die Atmosphäre im Publikum ist. Niemand spricht und im Orchester herrscht höchste Konzentration. Das lässt die Musik nochmal ganz anders klingen.
Am nächsten Tag treffen sich die UltraschallReporter im Heimathafen Neukölln wieder, wo ich zu Beginn mit Julia meinen Text vom Vorabend bespreche. Nach ein paar Tipps und Änderungen ist er bereit zum Hochladen auf www.ulb25.bitz.li/ultraschallreporter, unserem Blog. Ich gehe dann in die Probe des Accanto Trios und höre dem Saxophonisten, dem Pianisten und dem Schlagzeuger beim Proben zu. Nach der Probe spreche ich den Saxophonisten Marcus Weiss an, schon etwas weniger schüchtern als am Tag zuvor. Er ist sofort zu einem Interview bereit. Mit Fragen, die ich vorher vorbereitet habe, führen wir ein 16-minütiges Gespräch, das ich mit meinem Handy aufzeichne. Später versuche ich, meine Gedanken zum gestrigen Konzert zu notieren und daraus einen Text zu schreiben. Außerdem darf ich in der Tonregie zusehen, wie die Tontechniker die laufende Probe nutzen, um die Mikrophone für die Konzerte richtig aufzubauen und die Empfindlichkeit einzustellen, um die Aufnahmen fürs Radio vorzubereiten.
Ich halte fest, dass UltraschallReporter mir zwei einzigartige Sachen ermöglicht hat: Auf der einen Seite habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich mit neuer Musik auseinandergesetzt. Nicht zuletzt durch die Gespräche mit Musiker*innen habe ich erfahren, was neue Musik eigentlich ist und wie sie gespielt werden kann. Der andere Punkt, der für mich vielleicht noch wichtiger ist, ist die Reporter-Tätigkeit während des Projektes. Ich habe gemerkt, wie meine Unsicherheit mit jedem Interview kleiner wurde, wie ich schneller und geschickter im Texteschreiben wurde und auch, wie es mir immer mehr Spaß gemacht hat.
In jeder Hinsicht war UltraschallReporter für mich eine Erfahrung fürs Leben, und ich lege allen ans Herz, diese auch zu machen.