Im Konzertsaal des Heimathafens in Neukölln ist es gemütlich warm, dunkelrote Samtvorhänge umrahmen fließend die Bühne, auf der Nina Janßen-Deinzer mit ihren verschiedenen Klarinetten einen aufwühlenden Dialog aus Klängen, Tönen und Geräuschen inszeniert.
Es sind teils hohe, hysterische Töne, dicht gefolgt von tiefen, schnarrenden. Sie preschen nach vorn wie während einer Verfolgungsjagt, bei dem ein Ton den anderen einholt, noch bevor sich dieser ganz entfalten kann. Es ist ein gegenseitiges Aufstacheln der Klänge, die sich immer weiter aufbäumen. Bei jedem Ton schwingt ein deutlich hörbares Ausatmen mit. Jeder Atemzug klingt dabei wie ein abgehetztes nach-Luft-ringen der Klarinette und nicht der Musikerin. Ihr ganzer Körper scheint mitzuschwingen, besonders ihre in einer Feinstrumpfhose steckenden Zehen führen, einem unsichtbaren Drehbuch folgend, einen Tanz im Rhythmus zur Musik auf.
Geerdeter und tiefer schallen die Töne, wenn Janßen die Bass, -und Kontrabassklarinette spielt. Aber im gleichen Atemzug werden die Klänge ihrer Erzeugerin, der Klarinette, auch fremder, ungreifbarer. Die Vorstellung, dass diese Töne einer Klarinette entspringen, rückt immer weiter in die Ferne. Mit geschlossenen Augen könnten diese Geräusche so viele Ursprünge haben, ein Didgeridoo zum Beispiel, aber auch den lauten Schrei eines Dinosauriers. Die Bassklarinette hört sich schnarrender an als eine „normale“ Klarinette. Durch ihre reine Größe scheint sie außerdem deutlich komplizierter zu spielen. „Das Rohr ist länger als bei einer normalen Klarinette“, erklärt Janßen. „Sie ist etwas größer. Aber im Grunde ist es genauso.“ Das zeigt sich im nächsten Stück, in dem sie wieder zur Klarinette greift. Denn auch mit ihr lassen sich Geräusche erzeugen, die keine schnelle Zuordnung zu diesem Instrument mehr zulässt. Mit dem Mund klopft sie sanft gegen das Blatt, es erinnert an ein dumpfes Trappeln von kleinen Tieren auf einem Waldboden. Diese Klänge entstehen nicht spontan auf der Bühne, sondern haben eine geregelte Abfolge, erzählt die Musikerin. Auf ihren Notenblättern stünden „eine Mischung aus grafischer Notation und gewöhnlichem Tonsystem“. Oben seien die Dynamiken und Geräusche vermerkt und im unteren Bereich könne man die normalen Noten lesen.
Die Entfremdung eines Soloinstruments ist auch Bestandteil zeitgenössischer Musik, nicht greifbar, nicht zuzuordnen und in jedem Fall eine besondere Herausforderung für den Zuhörer.