Es ist ein grauer Freitagmorgen, an dem ich die Probe vom Bratscher Christophe Desjardins im Neuköllner Heimathafen besuche. Er spielt am Abend um 22 Uhr ein Solokonzert mit 4 Werken, unter anderem von Pierre Boulez.
Mit zehn Jahren hat Christophe Desjardins angefangen Bratsche zu spielen, jedoch hat er vorher auch schon Musik gemacht, da er mit 6 Jahren mit dem Klavierspielen angefangen hat. Er wollte aber noch ein Streichinstrument spielen, erzählt er mir. Da sein Bruder schon Kontrabass spielte, wollte er kein tiefes Streichinstrument spielen, also blieben ihm nur noch Geige und Bratsche zur Auswahl. „Ich wollte niemals Geige spielen“ erklärt er mir, deshalb hat er mit Bratsche angefangen. Er meinte jedoch, dass er zu dieser Zeit sehr selten geübt habe.
Neue Musik hat ihn schon früh interessiert. Sein Lehrer am Konservatorium in Paris war mit Pierre Boulez befreundet! „Man sollte Neue Musik so spielen, wie zum Beispiel Musik der Romantik“, sagt Dejardins. Er findet, dass Neue Musik auf der Bratsche deshalb besonders ist, weil diese einen besonders breiten Klang hat. Die Bratsche ist sehr vielfältig in ihren Klangfarben, außerdem gibt es für die Bratsche nicht sehr viele Werke. Er findet, dass es im 18. Jahrhundert nur ein schönes Konzert für die Bratsche gebe, nämlich die Sinfonia Concertante von Mozart. Später, im 20. Jahrhundert, kamen immer mehr Werke für die Bratsche dazu. Er ist sehr interessiert daran, Originalmusik für die Bratsche zu entdecken, aber auch zu entwickeln.
Für ihn ist die größte Schwierigkeit an Neuer Musik, dass es oft keine Referenzen gibt. Wenn er neue Noten bekommt, dann hat er keinen Vergleich und alles ist neu. Man muss das Stück erstmal entdecken, was ihm aber sehr gut gefällt. Manchmal funktioniert es aber nicht, dann weiß er nicht, ob es an ihm liegt oder an der Art vom Komponisten. Eine besondere Schwierigkeit gibt es, wenn er Musik mit zusätzlicher Elektronik oder Zuspielung aufführt, denn Elektronik funktioniert entweder oder nicht. Außerdem muss er sehr eng mit dem Toningenieur zusammenarbeiten, denn der ist ja nicht im Saal und kann die Lautstärke besser einschätzen.
Weil ich mich in den nächsten Wochen in der Schule mit dem Zusammenhang von Musik und Politik beschäftige, frage ich ihn, ob es einen Zusammenhang zwischen Musik und Politik gibt. Christophe Desjardins findet, dass hinter Musik auch immer etwas Politisches steckt. Denn mit Musik sei es immer das Ziel etwas auszusagen, egal ob etwas Politisches oder Philosophisches.
Ich erkenne während der Probe seine Begeisterung für neue Musik, aber auch in dem Gespräch. Es zeigt, dass wenn man Musik macht, diese auch unbedingt mögen muss.