Wie die meisten Leser dieses Blogs wahrscheinlich wissen, hat sich Ultraschall Berlin 2017 die Stimme in all ihren Facetten als Schwerpunkt des Programms gesetzt, und natürlich gibt es eine riesige Bandbreite an Dingen die man mit der Stimme machen kann. Trotzdem darf, wenn man sich mit Thema Stimme beschäftigt, eine musikalische Form nicht fehlen: das Lied oder noch genauer, das Klavierlied. Natürlich interpretiert das Klavierlied die Stimme in einer eher herkömmlichen Form, dem Gesang. Trotzdem standen Wolfgang Rihms Liederzyklen, die am Samstagnachmittag erklangen, anderen Werken der neuen Musik in ihrer Emotionalität in nichts nach. Vergleichsweise alt wirken die Lieder, obwohl es beim Festival noch deutlich ältere Stücke gab. Doch für mich persönlich hat dieses Konzert nur noch einmal unterstrichen, dass auch das Lied seinen Platz in der neuen Musik hat.
Der erste Liederzyklus basiert auf Heiner Müllers Gedichten „Das Ende der Handschrift“. Zum Bedauern der Zuschauer gab es keine Texte zum mitlesen, ihre Wirkung verloren die Lieder dadurch jedoch nicht. Wenn, dann weckten sie in mir eher das Bedürfnis, mir den Gedichtzyklus noch einmal lesend zu Gemüte zu führen. Müllers ausdrucksreiche Sprache wurde durch das geschickte Komponieren von Rihm nur noch expressiver, ohne dabei etwas von ihrer Aussage einzubüßen.
Dasselbe gilt natürlich auch für die danach folgenden Liedzyklen. Einer der beiden: „Vier Gedichte“ von Rainer-Maria Rilke, waren für mich als große Verehrerin dieses Dichters ein besonderer Höhepunkt des Programms, da die Gedichte, die musikalisch Umgesetzt wurden, nicht zu seinen bekannteren gehören.
Als letztes folgte „Das Rot“ von Karoline von Günderhode. Obwohl es sowohl von der Musik als auch vom Text das älteste der Werke war, wirkte es nicht weniger kraftvoll. Insgesamt war das Programm also keine leichte Kost, und doch war es durch die wunderschöne musikalische Ausgestaltung absolut beeindruckend. Es stach aus den anderen bisher gehörten Konzerten raus, auch durch den Verzicht auf Vierteltöne und krasse Brüche mit den alltäglichen Hörgewohnheiten, doch dieses Herausstechen war nicht unangenehm. Zu keinem Zeitpunkt dieses Konzertes fühlte ich mich gelangweilt, die meiste Zeit war ich gebannt von der Kraft und Intensität, die durch die Musik vermittelt wurde.
Nicht zuletzt ist die Wirkung dieser Werke natürlich auf den Sänger Christoph Prégardien zurückzuführen. Man merkte einfach, dass ihm diese Stücke auf den Leib geschneidert (oder eher auf die Stimme komponiert) wurden. Es fühlte sich richtig an, dass er diese Werke sang. Die Tonhöhe, die Phrasierung, alles stand mit seiner Stimme im Einklang, und auch Christoph Schnackertz am Klavier fügte sich perfekt in dieses Gebilde ein. Alles in Allem ein anrührendes und spannendes Konzert, das gezeigt hat, wie viel das Kunstlied auch in der neuen Musik noch drauf hat.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.