Eine Geschichte. Ein Projekt. Das erste Stück, welches wir von Barbara Lüneburg zu hören bekommen, ist das Eingangsstück aus ihrer Multimedia-Show, an welcher sie schon seit einiger Zeit arbeitet. Wie im Interview schon beschrieben (“Es macht total Spaß”) geht es um Identität. Dazu nutzt sie Geschichten, welche ihr Menschen mitteilen, auch Bilder und Videos. Im Eingangsstück wird die Geschichte erzählt, wie sich jemand ein Jackett leiht. Er trägt es, jedes Mal wenn die Person, die es verliehen hat, ihn sieht. Diese Geschichte wird von einer weiblichen und auch von einer männlichen Stimme erzählt, die sich teilweise im Sprechrhythmus überlagern. Der Mensch trägt dieses Jackett also längere Zeit, ein halbes Jahr oder länger. Als der Verleiher das Jackett zurück bekommt, gebügelt und gewaschen, stellt er die Frage: “Wieso hast du das Jackett immer getragen?” Nun beginnt ein Video, zusammengesetzt aus einzelnen Bildern von tanzenden Händen, auf dem Bildschirm erscheinen die Worte: “Ich habe selbst keine Identität.”
So beginnt die MultimediaShow zum Thema Identität. Als weiteres Stück folgt nun eine Uraufführung von Karen Power. Man hört Eis, wie es zerbricht, in Schollen dahintreibt, schmilzt. Barbara Lüneburg spielt feine Geigenstriche in den höheren Lagen, manchmal flimmern sie auf, manchmal brechen sie. Wasserplätschern kommt hinzu, alles unterlegt mit Bildern auf der Leinwand. Alles in allem, normal, wir kennen diese Geräusche mittlerweile, wie Eis zerbricht, wie es schmilzt, so etwas wird oft dargestellt. Die Bilder dazu hätte es nicht geben dürfen, so hätte man sich mehr vorstellen können, einfach lauschend.
Danach kam eine erschreckende, kubanische Gesangsweise. Sehr gut gespielt, denn gleichzeitig Geige und Gesang sind sicher nicht einfach zu vereinen. Dieses Stück war sehr ungewöhnlich und sehr hoch, doch es war auch faszinierend. Es wirkte, als sei die Frau, die Barbara Lüneburg darstellte, in einer Art Ekstase gefangen, die sie dazu verleitet, diese Klänge freizusetzen. Nach den schrillen Tönen folgten leise Töne, tief, wie aus einer Höhle. Alle Worte bestanden aus Vokalen, die dicht aufeinander folgten. Dann ging es über in ein langsames Ein- und Ausatmen zwischen den Vokalen. Es schien als würde sie sich in ihrer Ekstase beruhigen, doch nochmals brachen diese lauten Gesangsschreie auf und wurden häufiger und stärker. Nochmals ertönte das Brüllen, als gäbe es kein Ende dieser Ekstase, sondern als wäre sie gefangen in einem immer wiederkehrenden Zyklus. Nur noch leises Atmen. Leises Geigenspiel. Erschöpfung.
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