Edicson Ruiz, Berliner Philharmoniker, lässt seinen Kontrabass und das Feuer der Heimat sprechen.
“Mein Traum war, beeindruckend zu wirken, aber das schaffe ich immer noch nicht.”, gesteht Edicson Ruiz, Kontrabassist der Berliner Philharmoniker, schmunzelnd. Der Kontrabass habe ihn durch seinen nachklingenden Ton beeindruckt: “Im Orchester können alle Instrumente draufsitzen.”
Ruiz und sein Instrument sind auf einer Wellenlänge: bodenständig, in sich ruhend. Kein Wunder, dass er nach seinem “Bratsche-Trauma” der ersten Unterrichtsstunde dieses Instrument sofort aufgab. Gut gelaunt stimmt der 28-Jährige sein Instrument mit einer App.
“Ich warte auf den Dämpfer von Iphone.”, scherzt er mit sanftem spanischen Akzent, während er seinen Bass auf die nicht temperierte Wiener Stimmung aus dem 18. Jahrhundert stimmt und das Griffbrett für Flageolett-Töne markiert. Der Wiener Kontrabass ist seine große Leidenschaft. In Zukunft möchte er noch mehr unbekannte Stücke des 18. Jahrhunderts “ans Licht bringen”. Das Wichtigste seiner Sprache der Musik sei aber ihre “Botschaft verschiedener Bewusstseinszustände”, die er auch in Stücken der neuen Musik entdecken kann. Er schwärmt von Roland Mosers surrealistischer Komposition “Hommage á Friederike Mayröcker”, deren Töne ihn “zu einer Bauchdrehung bringen”. Seine Augen leuchten. Auf der Bühne fliegen seine Hände über die brummenden, knarzenden, geheimnisvoll sirrenden Saiten.
“Wenn ich spiele, spiele ich mit der Stärke und dem Feuer Südamerikas.”, erklärt der Venezolaner, der mit 17 Jahren magnetisch von Deutschland und dem “besten Job der Welt” angezogen wurde. Seine Mutter musste er zurücklassen. “Es war das Schrecklichste, was ich je erlebt habe.”, reflektiert Ruiz. Neben anfänglicher Orientierungslosigkeit und Verlorenheit besteht aber tiefe Dankbarkeit für die Chance zum Probespiel vor den Philharmonikern und seine unbegrenzte Verlängerung. “Viele Türen öffnen sich, ständig.”, resümiert Edicson Ruiz mit warmer Stimme. An das Leben in Deutschland, in Ruhe und Ordnung, hat er sich gewöhnt. Mit einem Zwinkern gibt er zu, inzwischen “ein bisschen verdeutscht” zu sein. Die seltene Heimkehr schockiere ihn immer wieder. Besorgt und verängstigt erzählt er von der Kriminalität in seiner Heimat. Er vermutet, ohne seine Ausbildung bei el sistema, dem staatlichen Musikprogramm Venezuelas, könnte er heute tot oder im Gefängnis sein. “Ich will nichts riskieren.”, erklärt er seine seltenen Besuche bei der Familie. Die Heimat und ihr Feuer trägt er dennoch in seiner Brust und hofft, “dass dieser Brand nicht durch die Kälte Europas ausgelöscht wird”.
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