Aribert Reimann

Aribert Reimann - Bild © Gaby Gerster / Schott Music
Aribert Reimann wurde 1936 in Berlin in eine Musiker:innenfamile geboren. Der Vater war Organist und Dirigent, später Leiter des Staats- und Domchors, die Mutter war eine bekannte Altistin und Gesangsprofessorin. In seiner Geburtsstadt studierte Aribert Reimann Klavier bei Otto Rausch und Komposition bei Boris Blacher und Ernst Pepping, die ihm kreative Freiheit gewährten. Vor allem Blacher bestärkte den Schüler darin, einen eigenen künstlerischen Weg jenseits der vorherrschenden Dogmen der deutschen Nachkriegsavantgarde einzuschlagen. Neben dem Studium arbeitete Aribert Reimann als Korrepetitor an der Städtischen Oper Berlin, heute Deutsche Oper Berlin. 1958 traf er in Wien, wo er zusätzlich Musikwissenschaft studierte, erstmals den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau, den er fortan oft am Klavier begleitete. Als Solopianist und Liedbegleiter, u. a. auch von Rita Streich, Elisabeth Grümmer, Barry McDaniel oder Brigitte Fassbaender, machte sich Reimann schon früh einen Namen.
Aribert Reimann hat bedeutende symphonische Werke und Kammermusik geschrieben. Doch am wichtigsten war ihm als Komponist stets die menschliche Stimme in all ihren Nuancen. Er komponierte Klavierlieder, Gesangswerke mit Streichquartett und anderen Kammerbesetzungen sowie mit Orchester. Der äußerst belesene Literaturkenner hat Texte der Troubadoure und Verse der Sappho vertont, Friedrich Hölderlin, Edgar Alan Poe, Lord Byron, Emily Dickinson, James Joyce, Paul Celan, Cesare Pavese, Gottfried Benn und Silvia Plath. Generationen von Sänger:innen hat Aribert Reimann als Professor für zeitgenössischen Liedgesang unterrichtet, 1974 bis 1983 an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hamburg, anschließend 1983 bis 1998 an der Hochschule der Künste in Berlin. Als Komponist erkannte er genau und sensibel die spezifischen Profile der Interpret:innen, für die er Vokalwerke schrieb.
Einem breiten Publikum wurde Aribert Reimann vor allem durch seine Opern bekannt. Frühe Werke waren Ein Traumspiel (Kiel, 1965) nach August Strindberg und Die Vogelscheuchen (Nürnberg, 1970), eine Zusammenarbeit mit Günter Grass, sowie Melusine nach Yvan Goll (Schwetzingen, 1971). Mit Lear (München, 1978) nach Shakespeare wurde Aribert Reimann weltberühmt. Diese Oper, heute ein moderner Klassiker, enthält wesentliche Züge seiner Kunst: eine Musik, die Emotionen und körperliche Zustände des Menschen im Blick hat und diese direkt transportiert, hochexpressiv, spannungsgeladen, mit zarten, kräftigen und auch grellen Farben. In der Kammeroper Die Gespenstersonate (Berlin, 1984), erneut nach Strindberg, setzte Aribert Reimann den schonungslosen wie beklemmenden Blick in menschliche Abgründe in filigrane und dennoch ausdrucksstarke Klänge. In Troades (München, 1986) konzentrierte er sich ausschließlich auf weibliche Gesangsstimmen. Das Libretto hat Reimann selbst verfasst, wie danach für alle seine Bühnenwerke.
1992, bei Proben an der Deutschen Oper Berlin zur Uraufführung seiner Oper Das Schloss nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka, erklärte Aribert Reimann für eine Szene, dass er eine Reaktion des Solarplexus in Klang übersetzen wollte. Es ging ihm in seiner Musik nicht bloß um Emotionen, sondern um körperliche Zustände des Menschen, bis zum vegetativen Nervensystem. Ebenso beeindruckend war die atmosphärische Zeichnung in der Oper Bernarda Albas Haus (München, 2000) nach García Lorca. In Medea (Wien, 2010) nach Euripides/Grillparzer setzte er die Singstimmen in ein überraschendes instrumentales Umfeld aus Blasinstrumenten und Metallophonen. Aribert Reimanns letztes Bühnenwerk war L’Invisible nach drei Stücken von Maurice Maeterlinck, 2017 an der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt. Erneut experimentierte er hier mit neuen Formen und Ausdrucksweisen experimentiert, setzte drei Countertenöre ein und schrieb eine Musik voller subtiler Schattierungen und Nuancen. Einen neuen Auftrag für das Haus konnte er nicht mehr zu Ende bringen. Am 13. März 2024 ist Aribert Reimann in Berlin wenige Tage nach seinem 88. Geburtstag gestorben. Zu den vielfachen Auszeichnungen, die er im Laufe seine Karriere erhielt, gehörte 2018 der deutsche Thteaterpreis „Der Faust“ für sein Lebenswerk.
Konzerte-
Michael Pflumm // Viviane Hagner // Axel Bauni
Fr.. 17.01.2025 21:30 Uhr
Heimathafen Neukölln