Pascal Dusapin
Wenn der 1955 geborene Pascal Dusapin heute als eine der herausragendsten und eigenständigsten Persönlichkeiten des französischen Musiklebens gelten darf, so verdankt er dies zweifellos der Stetigkeit und dem Reichtum seines Schaffens. Seit Ende der siebziger Jahre hat er sich auf nahezu allen Gebieten der Komposition einen Namen gemacht: Solo-Instrumentalmusik, Kammermusik, Ensembles, Chor, Orchester, Oper… Es gibt kaum eine Gattung, der er sich nicht zugewandt hätte. Selbst für das Klavier, das er lange vernachlässig hat, schrieb er einen Etüden-Zyklus und ein Trio. Drei Opern, zwei Oratorien, vier Streichquartette, sowie mehrere Orchesterstücke, darunter die kürzlich entstandenen vier Soli für Orchester haben maßgeblich zu seinem Ansehen beigetragen. Doch über die einzelnen Werke hinaus sind es der Stil und die seltene Kreativität des Komponisten, die uns aufhorchen lassen. Aus Pascal Dusapins mit größter Sorgfalt ausgearbeiteten und immer in Beziehung zu den Interpreten stehenden Werken spricht eine wahre Leidenschaft für die instrumentale wie für die vokale Materie.
Seine besondere Zuneigung gilt der menschlichen Stimme, Solo ebenso wie Chor. Pascal Dusapins bewusst literarischen, pikturalen und philosophischen Anspielungen finden hier die besten Entfaltungsmöglichkeiten und zeugen von dem echten Bedürfnis, sein Schaffen nicht einzuengen, sondern es offen zu halten gegenüber der Welt. Seine beiden Oratorien, Niobé und La Melancholia, basierend auf Montagen von älteren Texten, seine vier Opern, die sich auf zeitgenössische Autoren oder solche des zwanzigsten Jahrhunderts berufen (Olivier Cadiot, Heiner Müller, Gertrude Stein, Aldo Palazzeschi), sowie die kürzlich entstandenen Stücke für Chor a capella oder mit einem Ensemble, stehen für seine Suche nach Form und Ausdruck. Die Sorgfalt hinsichtlich Besetzung und Aufbau unterstreicht auch hierbei seine Fähigkeit, eine freie und vielfältige musikalische Sprache zu entwickeln. Der nach Eigenständigkeit strebende Pascal Dusapin verzichtet weder auf die Errungenschaften eines gewissen Klassizismus‘ noch auf die bahnbrechenden Neuerungen der Avantgarde. Sein Werk trägt den Stempel der Wahrhaftigkeit und Unabhängigkeit; es gehört keiner Schule oder Gemeinde an. Es wendet sich an Musiker wie an Musikliebhaber und prägt sich seinem Jahrhundert mit nicht zu überhörendem Nachdruck ein.
Text von Antoine Gindt
Übersetzung Andreas Mayer
Aus:
http://www.durand-salabert-eschig.com/formcat/catalogues/dusapin_pascal.pdf