Lin Liao
Lin Liao überzeugte auf dem Podium mit ausgeglichener, konzentrierter Präsenz – kerzengerade, ohne Taktstock – und entlockte dem Orchester eine breite Palette von Farben, musikalischen Formen und Gefühlen. Bachtrack, März 2021
Die in Deutschland lebende taiwanische Dirigentin Lin Liao zeichnet sich durch ein breites Repertoire von der Klassik bis zur Moderne, eine große Offenheit gegenüber neuen Kunstformen sowie vielfältige Erfahrungen mit spartenübergreifenden Programmen und Projekten aus.
Nachdem sie in der laufenden Spielzeit unter anderem beim Ensemble Contrechamps, den Bamberger Symphonikern, dem WDR Sinfonieorchester und dem Ensemble Modern zu Gast war, steht gegen Ende der Saison ein Konzert anlässlich des 70. Geburtstages von Philippe Manoury auf dem Programm: Dessen monumentale Raumklangkomposition Ring bringt sie im Juni in der Philharmonie de Paris mit dem Orchestre de Paris zur Aufführung, neben einem neuen Werk von Misato Mochizuki sowie Marco Stroppas Come Play With Me. Auch die vergangenen beiden Spielzeiten waren trotz der Pandemie reich an Höhepunkten. Lin Liao leitete Konzerte und Produktionen mit dem Ensemble intercontemporain, Ensemble Modern, Ensemble Ascolta, dem Mozarteumorchester Salzburg, WDR Sinfonieorchester sowie mit dem Festivalorchester des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Darüber hinaus konzipierte und erarbeitete sie mit Mitgliedern des WDR Sinfonieorchesters eine multimediale Realisierung von Karlheinz Stockhausens Tierkreis.
Als Dirigentin zeitgenössischer Musik arbeitet Lin Liao regelmäßig mit den wichtigsten europäischen Ensembles. Eine besondere Beziehung verbindet sie mit der Lucerne Festival Academy, die sie unter anderem bei Aufführungen von Karlheinz Stockhausens Gruppen (2007) und Inori (2018) dirigierte. Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Uraufführung von Pierre Boulez’ Polyphonie X leitete Lin Liao in Luzern auf Einladung von Wolfgang Rihm die erste Wiederaufführung des von Boulez nach der Uraufführung zurückgezogenen Werkes. Darüber hinaus gastiert sie regelmäßig bei renommierten Festivals wie dem Ultraschall Festival Berlin, ManiFeste und Présences in Paris, Musica in Straßburg und den Klangspuren in Schwaz.
Im Bereich der sinfonischen Musik stand Lin Liao unter anderem am Pult des Rotterdam Philharmonic Orchestra, des ORF Radio-Sinfonieorchester Wien, des Beethoven Orchesters Bonn, des des Orquestra Metropolitana de Lisboa, des National Taiwan Symphony Orchestra und des Taipei Symphony Orchestra. Darüber hinaus engagiert sie sich in Education-Projekten unter anderem regelmäßig am Gewandhaus zu Leipzig.
Ihr vielseitiges Musiktheater-Repertoire entwickelte sie zuletzt als 1. Kapellmeisterin am Schleswig-Holsteinischen Landestheater und zuvor in Engagements in Chemnitz und Wittenberg sowie als Gast an der Deutschen Oper am Rhein, am Wiener Operntheater und am Theater Krefeld/Mönchengladbach. Unter anderem dirigierte sie Tiefland, Hänsel und Gretel, Die Entführung aus dem Serail, Madame Butterfly, La Cenerentola, La Traviata, Don Carlos und Die Fledermaus. 2008 leitete Lin Liao in Taipeh die Uraufführung der Oper The Peach Blossom Fan von Chang-Fa Yiu, besetzt mit einem Vokal- und Instrumentalensemble der Peking-Oper und einem westlichen Sinfonieorchester. 2013 folgte in Budapest die Uraufführung der Kammeroper Out at S.E.A. – eine Gemeinschaftskomposition sechs junger Komponist:innen – mit weiteren Aufführungen in Mailand, Paris, Brüssel und Krakau.
Ihre Leidenschaft für die Nachwuchsförderung verwirklicht Lin Liao seit 2021 im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Zuvor leitete sie am neuen National Kaohsiung Center for the Arts Taiwan die Weiwuying Academy innerhalb der Contemporary Music Platform, deren Ziel die Förderung talentierter taiwanesischer Musiker:innen im Bereich der zeitgenössischen Musik ist.
Lin Liao studierte Komposition und Klavier an der Taipei National University of the Arts und schloss anschließend ihr Dirigierstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien mit Auszeichnung ab. Weitere künstlerische Impulse bekam sie bei Meisterkursen unter anderem mit Bernhard Haitink und Leif Segerstam. Pierre Boulez und Peter Eötvös erkannten früh die Qualitäten der jungen Dirigentin und übertrugen Lin Liao das Dirigat von Stockhausens Gruppen beim Lucerne Festival 2007. Seitdem verbindet sie eine intensive Zusammenarbeit mit Peter Eötvös, der sie unter anderem 2009 zum Holland Festival einlud: Dort assistierte sie ihm für die Aufführung des Gesamtwerks von Edgar Varèse und leitete Proben mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra und dem Ensemble Asko|Schönberg.
Konzerte-
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin // Lin Liao
Mi. 17.01.2024 20:00 Uhr
Haus des Rundfunks: Großer Sendesaal des rbb