für Saxophon, Posaune, Klavier, Violoncello und Akkordeon
Den israelischen Komponisten Yair Klartag, derzeit Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, beschäftigen seit einigen Jahren in vielfältiger Weise Fragen nach Ausdruck in der Musik. Den Titel seines Werks Goo-Prone hat er dem 1996 veröffentlichten Roman Unendlicher Spaß (Infinite Jest) von David Foster Wallace entlehnt. Goo-prone wird in der deutschsprachigen Ausgabe des Buchs mit »schmalzanfällig« übersetzt. An der Stelle, auf die sich Yair Klartag bezieht, wird festgestellt, »dass das, was sich als hippe zynische Transzendenz des Gefühls ausgibt, in Wahrheit Furcht vor dem echten Menschsein ist, denn ein echter Mensch (…) ist wahrscheinlich unvermeidlich sentimental, naiv, schmalzanfällig und ganz allgemein erbärmlich, er ist in seinem innersten Inneren lebenslänglich infantil (…)«.
Diese Passage spricht Yair Klartag insofern an, als ihn grundsätzlich die Frage interessiert, was es heißt, heute Musik zu schreiben – nach den vielfachen Aufbrüchen der Moderne und nach dem Skeptizismus und der ironischen Distanz der Postmoderne. Wie steht ein reflektierender Künstler des 21. Jahrhunderts letztendlich zu Kitsch, Sentimentalität, Gefühl und Pathos? »Mir gefällt bei Foster Wallace«, sagt Yair Klartag im Interview für Ultraschall Berlin, »dass er auf der einen Seite diese Dinge ausstellt und dass er auf der anderen Seite geradezu naiv in der Direktheit sagt, was er fühlt und dies unmittelbar zum Ausdruck bringt. Und gleichzeitig ist er sich dessen sehr bewusst und befindet sich im Widerstreit damit.« Damit formuliert Klartag eine Beobachtung, die in ähnlicher Weise in den letzten Jahren als Tendenz einer post-postmodernen Haltung in der Kunst- und Literaturkritik festgestellt wurde und von einigen Theoretikern mit dem Begriff »Metamoderne« etikettiert wurde: »eine Art informierte Naivität oder pragmatischer Idealismus«, wie es die beiden Kulturphilosophen Robin van den Akker und Timotheus Vermeulen in Anmerkungen zur Metamoderne ausdrücken.
Yair Klartag sagt: »Es ist diese permanente Selbstbefragung und Selbsthinterfragung: Ich möchte mich musikalisch ausdrücken, aber ich bin mir ständig der Bedeutung dessen bewusst, was dies inhaltlich heißt und wie es ästhetisch positioniert ist. Alles, was wir tun, nahezu jede Note, die wir schreiben, ist schon eine Positionierung. Bist Du bei der Lachenmann-Fraktion? Oder gehörst du zu den Spektralisten? Aber auch: Bist Du ein Kapitalist? Bist du ein Kommunist? Fast jede Note ist mit Bedeutung aufgeladen. Und dadurch ergibt sich eine große Distanz, sich mit dem Material, das man schreibt, zu identifizieren.« In Goo-Prone probiert Klartag das von David Foster Wallace geschilderte Spiel der Distanz und empathischen Nähe, der Ironie und wahrhaftigen Aussage mit den Klängen der Instrumente des Ensembles und ihren elektronisch manipulierten Verfremdungen aus. So kann beispielsweise das Saxophon plötzlich einer E-Gitarre ähneln. Oder das Ensemble generiert unversehens Momente von Techno.
Eckhard Weber