Der israelische Komponist Yair Klartag, Jahrgang 1985, derzeit Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, hinterfragt seit einigen Jahren Konzepte des Ausdrucks in der Musik. Welche Codes gibt es zwischen Komponist und Hörern? Welche Vorstellungen vermitteln sich tatsächlich? Welche Bedeutungsebenen, welche Prägungen spielen eine Rolle? Solche Fragestellungen deutet bereits der Titel seines Stücks A melancholy of mine own an. In einer ersten Version wurde das Werk 2012 in Mailand uraufgeführt, in einer überarbeiteten Fassung 2013 in Brooklyn. A melancholy of mine own ist William Shakespeares doppelbödiger Pastoralkomödie Wie es euch gefällt entlehnt. Im vierten Akt offenbart sich der schwermütige Edelmann Jaques, der dem Herzog in die Verbannung gefolgt ist, gegenüber dessen Tochter Rosalinde: »Ich habe weder des Gelehrten Melancholie, die Nacheiferung ist; noch des Hofmanns, die hoffärtig ist; noch des Soldaten, die ehrgeizig ist; noch des Juristen, die politisch; noch der Frauen, die zierlich; noch des Liebhabers, die das alles zusammen ist; sondern es ist eine Melancholie nach meiner Weise, aus mancherlei Ingredienzen bereitet, von mancherlei Gegenständen abgezogen, (…)« Diese Stelle hat Yair Klartag angesprochen, weil er den herkömmlichen, stereotypen Ausdrucksformen, das Melancholische, Gefühle der Einsamkeit und Leere, in Töne zu fassen, nichts abgewinnen kann. Deshalb hat er versucht, seine »personalisierte Version von Melancholie«, so Klartag, musikalisch umzusetzen. Ausgehend von Zentraltönen breiten sich stehende und auch vibrierende Klangflächen aus, die mikrotonale Bereiche durchmessen und zunehmend Expressivität entfalten. Gegen Ende erstarrt das Geschehen in rhythmischen Impulsen. Statik erweist sich hier als dynamisch, während die vordergründig wahrgenommene Bewegung schließlich zum Stillstand führt.
Eckhard Weber