Die Komposition Round-robin von Vito Žuraj für Akkordeon und Live-Elektronik aus dem Jahr 2014 ist durch ihre Genese gleich doppelt mit dem SWR Experimentalstudio in Freiburg verbunden. Die Entstehungsgeschichte reicht zurück ins Jahr 2010, als Vito Žuraj an seinemWerk Zgübleni für Mezzosopran, Ensemble und Live-Elektronik arbeitete. Für die Live-Elektronik von Zgübleni probierte Vito Žuraj verschiedene Verfahren im SWR Experimentalstudio aus. Als bestimmte Celloklänge für rotierende Filter eingespielt wurden, passierte ein kleiner Unfall: Aufgrund einer Übersteuerung wurde eine perlende Kette elektronischer Signale ausgelöst. Der Klang faszinierte Vito Žuraj: Zu hören war ein schneller, unbändiger Zickzackverlauf voller Sekunden, Quarten und Quinten. Ein Ausschnitt daraus wurde ausgewählt und diese Tonfolge schließlich herangezogen als Vorlage für die Anfangssequenz in der 2012 entstandenen Komposition Silhouette für Akkordeon solo. »Es hat sich so wunderbar angeboten, diese Vorlage für den Anfang eines Akkordeonstücks zu verwenden und ihm so eine individuelle Note zu verleihen«, erzählt Vito Žuraj im Interview für Ultraschall Berlin.
Round-robin für Akkordeon und Live-Elektronik, entstanden 2014, ist eine Fortschreibung des Akkordeonparts aus Silhouette. Der markante Melodieverlauf des Anfangs wurde selbstverständlich beibehalten. Für die Entwicklung der Live-Elektronik hat Vito Žuraj in Berlin mit dem Klangregisseur Gregorio García Karman zusammengearbeitet. Dieser leitet seit 2012 das Studio für Elektroakustische Musik an der Akademie der Künste im Hanseatenweg. Davor war er, um den Bogen wieder nach Freiburg zu spannen, lange Jahre im Team des SWR Experimentalstudios. Mit den Klangvorstellungen und Möglichkeiten der Verarbeitung, die Vito Žuraj und Gregorio García Karman aus Freiburg kannten, haben sie in Berlin vergleichbare Mittel der Live-Elektronik eingesetzt. »Es ist ein Schattenspiel: das, was das Akkordeon spielt, übernimmt die Elektronik in einer transponierten und überarbeiteten Weise. So entsteht ein Dialog zwischen einem realen Akkordeon und einem künstlichen. Und diese beiden sind im weiteren Verlauf nicht mehr auseinanderzuhalten«, erläutert Vito Žuraj das Grundprinzip seines Stücks Round-robin. Doch damit nicht genug, es gibt nicht nur einen live-elektronisch generierten Schatten, sondern viele. Sie alle werden im Verlauf des Stücks nicht nur mit dem Akkordeon, sondern auch untereinander kombiniert. Nach dem Prinzip eines Rundenturniers, bei dem jeder gegen jeden antreten muss. Aus dieser Anordnung leitet sich auch der Werktitel Round-robin ab. Der passionierte Tennisspieler Vito Žuraj, der gerne Titel aus der Welt des Sports für seine Stücke nimmt, hat Erfahrung mit solchen Turnieren. Dies ist bei seiner Musik für Akkordeon und Live-Elektronik zu spüren.
Der Akkordeonpart, der mit seinen schnellen, verschlungenen Tongirlanden bereits lustvolle Opulenz zeigt, erhält mit der Live-Elektronik nicht nur eine klangliche Anreicherung, sondern auch erweiterte Möglichkeiten der Kontrastbildung: Elektronische Klänge in hohen Registern stehen tiefen Akkordeonklängen gegenüber, virtuosen Läufen im Akkordeon begegnet die Elektronik mit eigenen Entsprechungen. Wenn das Akkordeon vollgriffige Akkorde spielt, hält die Elektronik mit gleißenden Klangfeldern dagegen. Rhythmisch bewegte Passagen des Akkordeons werden von der Elektronik als Impulse übernommen, um diese in hohe Register zu tragen, die jenseits des Tonumfangs des Instruments liegen. Gegenakzente, gekörnte Strukturen, schlanke Linien, flächige Einsätze, dies alles wird bei diesem angeregten Rundlauf mit seinen vielfältigen Finten gegeneinandergesetzt. Von welchem der Akteure jedoch die Einsätze kommen, vom realen Turnierpartner oder vom live-elektronisch generierten, dies lässt sich im Eifer des Gefechts hörend tatsächlich nicht mehr auseinanderhalten.
© Eckhard Weber 2021