»Mein Klavierlehrer meinte, aus mir würde nichts werden, daher fing ich an zu komponieren«, hat Thierry Pécou vor einigen Jahren augenzwinkernd bekannt. Da war er längst sowohl ein profilierter Pianist als auch ein mehrfach preisgekrönter Komponist. Sein Schaffen, das Klavierwerke, Kammermusik, Symphonisches, Vokalwerke und Musiktheater umfasst, ist sinnlich, farbenreich und unmittelbar ansprechend. Thierry Pécous Musik entzieht sich den Kategorien und Moden sämtlicher Avantgarden, ohne deswegen gleich leichtfertig auf Oberflächenreize oder rückwärtsgewandte Stile zu setzen. Der Komponist ist damit in gewisser Weise mit einem seiner Vorbilder geistesverwandt, mit Henri Dutilleux, der auch stets auf künstlerische Eigenständigkeit Wert gelegt hat und sich nie darum kümmerte, ob ihn Zeitgenossen womöglich für nicht zeitgemäß hielten.
Thierry Pécou stammt aus einer Familie mit Wurzeln auf der Karibikinsel Martinique. Er wurde 1965 in Boulogne-Billancourt bei Paris geboren und studierte Klavier sowie Orchestrierung und Komposition am Pariser Conservatoire. Nach dem Studium führten ihn Stipendienaufenthalte nach Kanada, Russland, Spanien und Lateinamerika. Überhaupt ist das Reisen in ferne Länder – oft bei Gastspielen als Pianist und Leiter seines Ensemble Variances und zu Aufführungen seiner Werke – seit langem zur Passion von Thierry Pécou geworden, der im nordfranzösischen Rouen lebt. Diese stets von großer Neugier und von eingehenden Studien begleiteten Aufenthalte in der Ferne sind eine wesentliche Inspiration für das Komponieren von Pécou: Seine populäre Symphonie du Jaguar ist beispielsweise von den präkolumbianischen Kulturen Südamerikas beeinflusst, La Barque au rêve clair von uralten chinesischen Traditionen und afrikanischen Einflüssen, die Kantate Passeurs d’eau nimmt Impulse aus der Musik der Ureinwohner Nordamerikas auf, sein Konzertstück Les filles du feu widmet sich dem antiken Griechenland.
»Thierry Pécou träumt davon, in der Auseinandersetzung mit Traditionen ›die ganze Welt zum Klingen zu bringen‹ und auf diese Weise den Ritual-Charakter der Musik wiederherzustellen. Eine Musik mit diesem geistigen Hintergrund spricht den Hörer an und nimmt ihn gefangen«, hat der Lautenist, Gitarrist und Musikwissenschaftler Jean-Luc Tamby über den Komponisten gesagt. Pécous deutscher Komponistenkollege Moritz Eggert, der mit ihm zusammen als Pianist auftrat, nennt ihn einen postmodernen »Summensucher der Musik«, der aus den gesammelten Eindrücken eine eigene Personalsprache ausbilde.
Einen Einblick in die Anfänge von Thierry Pécous kompositorischem Schaffen bietet die Sonate pour hautbois et piano. Das Stück stammt aus der Studienzeit des Komponisten: Im Alter von 20 Jahren hat er dieses Werk für Oboe und Klavier geschrieben und damit damals an einem Kompositionswettbewerb in England teilgenommen. Thierry Pécou ging als Gewinner aus diesem Wettbewerb hervor. Seine Sonate folgt der vor- und frühklassischen Satzeinteilung in drei Sätzen, mit zwei schnellen Rahmenteilen und einem langsamen Mittelsatz. Bei Pécou ist dies ein mittelschneller Eingangssatz (Très moderé), ein sehr langsamer Mittelsatz (Très lent) und ein sehr lebhafter Finalsatz (Très vif).
Eckhard Weber