Francesco Landini, um 1325 in Fiesole bei Florenz geboren, 1397 in Florenz gestorben, war ein typischer Renaissance-Künstler, vielseitig humanistisch gebildet und in vielen Künsten bewandert. Als multimedial und interdisziplinär würde man sein Schaffen heute bezeichnen. Aufgrund einer Pockeninfektion erblindete Landini in seiner Kindheit. Der Karriere seines Vaters, des Malers Jacopo del Casentino, eines Vertreters der Schule Giottos di Bondone, konnte er deshalb nicht folgen. Francesco Landini zeigte beachtliches musikalisches Talent. Lange Jahre war er Organist an der Kirche San Lorenzo in Florenz, trat zudem als Sänger hervor und spielte eine ganze Reihe zeitgenössischer Instrumente. Er arbeitete zudem als Orgelstimmer und Instrumentenbauer, erfand das Saiteninstrument Syrena Syrenarum, eine Mischung aus Laute und Psalter, dichtete und beschäftigte sich zudem mit Astrologie und Philosophie. Heute sind von Landini in erster Linie seine weltlichen Kompositionen überliefert, ein Dutzend zwei- und dreistimmige Madrigale und nahezu 150 Ballate, kunstvoll gestaltete Tanzlieder. Über seine Musik gibt es eine kurze zeitgenössische Erwähnung in der 1389 erschienenen Novellensammlung Paradiso degli Alberti von Giovanni da Prato: »Die Süße seiner Melodien war dergestalt, dass die Herzen aus ihrer Brust brachen.«
Tatjana Prelevic wurde im ehemaligen jugoslawischen Titograd geboren, heute Podgorica, die Hauptstadt Montenegros. Sie studierte in ihrer Heimatstadt. Ihr Konzertexamen legte sie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ab, wo sie seit 1997 als Dozentin im Fach Kammermusik lehrt. Seit 2012 ist sie zudem als Dozentin in der Abteilung Weltmusik an der Universität Hildesheim tätig. Tatjana Prelevic hat nicht zuletzt aufgrund ihrer Biografie ein Sensorium für die Besonderheiten, Widersprüche und Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Kulturen. Ihr selbst ist der Dialog zwischen westeuropäischen Traditionen und den Traditionen des Balkans ein großes Anliegen, das in ihren beiden Neue- Musik-Projekten Briefe aus der Heimat und Briefe in die Heimat eine Form und ein Forum fand.
Zusammen mit dem Duo Mixtura hat Tatjana Prelevic einige Werke von Francesco Landini ausgewählt und reagiert auf diese Vor- lagen aus ihrer eigenen Perspektive in ihrer Komposition Triptychon. Annäherung und Entfernung, das Fremde und das Eigene sind dabei wichtige Aspekte: Die expressive Renaissance-Klanglichkeit von Landini trifft auf die Musiksprache von Tatjana Prelevic, die stark von einem differenzierten musikalischen Farbdenken ausgeht: Glänzende, raue, körnige, helle und dunkle Texturen erstrecken sich bis zum Geräuschhaften. Tatjana Prelevics Musik nähert sich in einer sehr ausgeklügelten Dramaturgie den Referenzstücken Landinis an. »Im besten Fall kann man gar nicht entscheiden, ob es jetzt alt oder neu ist«, schwärmt Katharina Bäuml vom Duo Mixtura. Bleibt die Frage nach der Stimmung, schließlich ist das Akkordeon wie das Klavier in der gleichschwebenden Stimmung des wohl- temperierten Systems, das seit dem 18. Jahrhundert in der abend- ländischen Musik vorherrscht. Die Stücke von Francesco Landini erfordern jedoch die alte pythagoräische Stimmung, also ein Ton- system, vereinfacht gesagt, mit einigen sehr reinen Intervallen und anderen, bei denen es stärkere klangliche Reibungen gibt. Das Ensemble begegnet dieser Herausforderung mit einer flexiblen Spieltechnik: Die Akkordeonistin Margit Kern hat eine besondere Technik, die Tasten ihres Instruments nur halb niederzudrücken, so dass sie die festgelegten Tonhöhen in der Höhe und Tiefe mikro- tonal verändern kann. Gleichzeitig ist Katharina Bäuml in der Lage, mit der ungleich flexibleren Schalmei dem Akkordeon in der Gestaltung der Tonhöhen entgegenkommen. Auf diese Weise entstehen zwischen den beiden historisch getrennten Instrumenten tatsächlich Klangräume, die es nie vorher gab.
Eckhard Weber