für sechs durch Feedback erweiterte Solisten, vier akustische Quartette und Live-Elektronik
inhabit_inhibit ist eine groß angelegte, immersive Raumkomposition für 4 gemischte Quartette, feedbackverstärkte Solisten und Live-Elektronik.
Der Philosoph Timothy Morton weigert sich, über den Klimawandel zu sprechen, besteht aber darauf, die Zeit, in der wir leben, als die Zeit des sechsten Massenaussterbens zu bezeichnen. Ursache für dieses neue Massenaussterben ist der ›Run-away-Effekt‹, bei dem sich mehrere vom Menschen verursachte ökologische Veränderungen gegenseitig verstärken, bis sie außer Kontrolle geraten. In inhabit_inhibit wird dieser Rückkopplungseffekt und der damit verbundene Kontrollverlust in den klanglichen Bereich transponiert und prägt die konzeptionellen, klanglichen, räumlichen und dramaturgischen Dimensionen der Komposition.
inhabit_inhibit verwendet sechs Instrumente (Bassflöte, Bassoboe, Bassklarinette und Baritonsaxofon sowie Klavier und Harfe), die in der Lage sind, durch die Interaktion zwischen einem neben ihnen stehenden Lautsprecher und einem an sie angeschlossenen/eingesteckten Mikrofon Rückkopplungen zu erzeugen. Diese Solisten werden so klanglich erweitert, die Rolle des Interpreten ändert sich drastisch. Durch die Rückkopplung – die die Instrumentalist:innen nie ganz zu kontrollieren in der Lage sind – können die Bläser nun auch Töne erzeugen, ohne ihren Atem einzusetzen, das Klavier und die Harfe können Töne erzeugen, ohne tatsächlich die Saiten zu aktivieren. Sie sind zu hybriden, augmentierten Instrumenten geworden, ähnlich wie die heutige Realität eine hybride und augmentierte geworden ist und unser Körper mehr und mehr hybrid wird.
Da der Abstand zwischen Mikrofon und Sprecher die Rückkopplung definiert, beeinflusst ihre Position im performativen Raum die Klangproduktion und auch die Art und Weise, wie der Klang des einen Instruments in das Mikrofon des anderen eindringt. So entsteht ein nur teilweise kontrollierbares Netz von Verbindungen, ein echtes Gewebe – ein ›Mesh‹, wie Morton sagt – zwischen der Technologie, den Interpreten, ihren Live-Instrumenten und dem Raum, den sie zusammen mit den vier akustischen Quartetten und dem Publikum bewohnen. Das Ergebnis ist eine immersive klangliche Umgebung, aus der zu entkommen unmöglich ist. Um es mit Timothy Mortons Worten zu sagen: »Es gibt kein Außen.«
Stefan Prins