Am Anfang gab ihr Dimitri Schostakowitsch mit auf den Weg: »Ich wünsche Ihnen, dass Sie auf Ihrem eigenen fehlgeleiteten Weg fortschreiten.« Was Sofia Gubaidulina kompositorisch neben ihrem Broterwerb, der Filmmusik, schuf, passte so gar nicht zu der repräsentativen Musik, die sich die Kulturpolitik der Sowjetunion wünschte. »Für mich ist es nicht so wichtig, in einer bestimmten Tradition zu stehen. Aber die Instrumente sind für mich wichtig, sie stellen für mich so etwas wie lebendige Personen dar«, hat die Komponistin einmal erklärt.
Solch eine künstlerische Unabhängigkeit zeigen schon ihre frühen Fünf Etüden für Harfe, Kontrabass und Schlagzeug, uraufgeführt von befreundeten Musikern im März 1966 im Moskauer Musikalischen Jugend Klub, sowjetische Off-Szene sozusagen. Frappierend ist bei diesen fünf kurzen Charakterstücken, wie individuell, frei von Stilnormen, kontrastreich und vielgestaltig in den Stilen sie sind. Selbst die Grenzen zu Jazz und Folklore sind fließend. Mitunter tragen ein durchgehender Rhythmus des Schlagzeugs und eine ostinate Kontrabasslinie das Geschehen, zu dem die Akkorde der Harfe eine außergewöhnliche Farbe hinzugeben. Mal ergibt sich eine verdrehte Marschparodie, mal fragile Klanggewebe, mal zupackend polyrhytmische Strukturen. Alle drei Instrumente werden konsequent jenseits ihrer traditionellen Rollen aus der Klassik eingesetzt, als gleichberechtigte Partner, die sich in der Führung abwechseln. Nach über einem halben Jahrhundert wirkt diese Musik noch immer taufrisch und zeitlos.
Eckhard Weber