Séverine Ballon: inconnaissance

(2018)

Dutzende von Werken wurden bisher für Séverine Ballon geschrieben, die meisten von ihr selbst in Auftrag gegeben. Mit zahllosen jungen (und nicht mehr gar so jungen) Komponist*innen hat die Cellistin in den letzten Jahren gearbeitet, hat sie in Meisterkursen unterrichtet, hat deren Ideen umgesetzt und mit ihrer eigenen Erfahrung angereichert. Sie hat dabei ihre profunde Technik und Musikalität in den Dienst anderer gestellt – furchtlos und ohne Scheu vor dem Risiko auch des Scheiterns.

In den letzten Jahren ist neben diese Forschungsarbeit, die sie gemeinsam mit Komponist*innen betreibt, auch das eigene Komponieren getreten. Schon länger hatte Ballon ihre eigenen musikalischen Vorstellungen in Improvisationen realisiert, eine sechsmonatige Residenz am Music Department der Harvard University bot dann die Gelegenheit, den Schritt zur Komposition zu gehen und damit strukturelle Fragen noch einmal grundsätzlicher anzugehen. 2018 erschien die erste CD mit eigenen Werken für Violoncello solo, mit einem dieser Werke stellt sich Séverine Ballon in Berlin erstmals als Komponistin vor.

Dabei widersteht Séverine Ballon der bei zahlreichen Interpret*innen zu konstatierenden Versuchung, sich selbst ein möglichst glitzerndes Virtuosengewand überzuwerfen. So virtuos sie zu spielen vermag, ihr Interesse gilt viel mehr den Nuancen des Klangs. Und auch in ihren eigenen Werken nimmt sich Ballon zurück. »Alles wird unter ein Mikroskop genommen«, schreibt die britische Musikwissenschaftlerin Laura Tunbridge, »so dass Klänge seziert und besessen werden können. Variation kommt durch Bogentechniken; Ballon ist fasziniert von den Klängen, die vor und nach einem ›normalen‹ Klang entstehen, als ob er Licht ablenkt, bricht oder streut.«

Rainer Pöllmann