Séverine Ballon: Espace imaginaire, forêts

(2024) 15‘ – für Sopransaxofon, Posaune, Akkordeon und Cello

Für Ruth, Florian, Silke und Zoé, in Freundschaft

Ein imaginärer Raum, einer von denen, an die wir gerne denken, die uns wie eine Zeitblase wieder in diese Momente eintauchen lassen. In diesem Stück ist dieser Raum der eines Waldes.

Um dieses Stück zu komponieren, bin ich von einer Aufnahme aus einem Wald in der Creuse [Département in der Region Nouvelle-Aquitaine/Frankreich] ausgegangen, die der Schlagzeuger und Audionaturalist Lê Quan Ninh um 10 Uhr morgens aufgenommen hat. Eine Komplexität von Gesängen, die sich überlagern und antworten, meine Fantasie wandert in diesen verflochtenen Polyphonien. Ich habe mich von der Zeitlichkeit und dem Raum dieser Aufnahme inspirieren lassen, um daraus eine andere Musik zu schaffen, die Musik meiner Fantasie in der Zeit dieses Waldes. 

Ich habe nicht versucht, Vogelstimmen zu reproduzieren, auch wenn ihre Rhythmen und Wiederholungen in den Phrasierungen, Linien und der Organisation zwischen den Instrumenten präsent sind. 

Eine Musik, die sich zwischen den Instrumenten, die um das Publikum herum aufgestellt sind, webt. Eine Musik, die zwischen den vier Punkten des Raums entsteht, wie gestrichelte Linien, die in ihrer Verflechtung Gestalt annehmen. Ein Moment im Wald, in dem sich die Musik mit dem Licht, dem Wind und den Wesen, die ihn bevölkern, verändert. 

Séverine Ballon

„Musik als Blase, als Schutzraum“
Séverine Ballon im Interview für Ultraschall Berlin 2025

Séverine Ballon, Espace imaginaire, forêts („Imaginärer Raum, Wälder“) heißt Ihr neues Stück, das von LUX:NM bei Ultraschall Berlin 2025 uraufgeführt wird. Was ist das für ein Raum für Sie? 

In diesem Stück sind es imaginäre Räume, an die wir uns gerne erinnern. Ich mag den Gedanken, dass Musik Räume schaffen kann, in denen wir uns wohlfühlen. Hier ist es der Raum eines Waldes, der als Inspiration diente.

Wie klingt das? 

In diesem Stück wird nicht der Klang eines Waldes reproduziert, sondern sein Raum. Ich habe die Zeitlichkeit einer Waldaufnahme genutzt, um daraus eine ganz andere Musik zu schaffen. Aber am Anfang dieses Stücks habe ich sehr oft eine Waldaufnahme gehört. Das ist eine Aufnahme, in der ich so viel Musik höre! Meine Fantasie beginnt mit dieser Aufnahme zu spielen. 

Wie interagieren die Instrumente miteinander?

Das Stück wurde für die Musiker des Ensembles LUX:NM, für Ruth Velten, Florian Juncker, Silke Lange und Zoé Cartier geschrieben. Die vier Musiker:innen sind um das Publikum herum platziert. Es ist eine Musik, die im Raum von den vier Instrumentalist:innen geschaffen wird. Die Verteilung des Raumes ist wie in einem Wald gedacht. 

Was war für Sie der Anstoß zu diesem Stück?

In meinen letzten Stücken habe ich die Idee von Erinnerungen in verschiedenen Formen erforscht. Ich habe das Stück Toucher un souvenir („Eine Erinnerung berühren“, 2022) über musikalische Erinnerungen geschrieben, diese Fragmente von Noten oder Klängen, die uns so lebendige Erinnerungen zurückbringen. Ich habe auch das Stück chants partagés („Geteilte Gesänge“, 2023) geschrieben und ein ganzes Projekt mit Notunterkünften für Menschen auf der Straße in Paris durchgeführt, in dem es um Lieder und Chansons geht, die wir tief in uns tragen und die uns wichtig sind. 

Auch dieses neue Stück Espace imaginaire, forêts beschäftigt sich mit dem Gedächtnis, diesmal durch die Befragung der Räume, an die wir gerne denken und die uns gut tun. Mir gefällt die Idee, dass Musik einen Raum wie eine Blase schaffen kann. Ich habe bereits ein Stück über Wälder geschrieben, forêts intérieures („Innere Wälder“, 2020–2021). Dieses Mal ging es um die Erfahrung, sie aufzunehmen und über Kopfhörer zu hören, etwas so Schönes und Musikalisches. 

Ich mag die Idee, Themen zu haben, die mich von Stück zu Stück begleiten, als Möglichkeit, eine Reflexion zwischen den Stücken fortzusetzen, sie zu vertiefen, indem man sie auf andere Weise betrachtet. Diese Idee von Musik als Blase, als Schutzraum, kam mir, weil ich letztes Jahr Preisträgerin von Superphoniques (der neue Name des Grand prix lycéen des compositeurs) war. Ich traf viele Gymnasialklassen und fragte sie, welche Rolle die Musik für sie spielt. Die Worte ‚Blase‘ und ‚Schutzraum‘ kamen oft vor. Ich fand es interessant, dass die junge Generation Musik als einen Ort betrachten, an dem sie sich wohlfühlt! Das hat mich dazu inspiriert, über diese imaginären und musikalischen Räume nachzudenken. 

Was mögen Sie besonders am Ensemble LUX:NM?

Wir sind seit langer Zeit befreundet! Ruth, Silke, Florian, Zoé und ich haben zusammen studiert, an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und an der Internationalen Ensemble Modern Akademie in Frankfurt, und wir sind seitdem Freunde geblieben. Es ist eine besondere Freude für mich, für sie zu schreiben! 

(Interview: Ecki Ramón Weber)