Das Stück IRA entstand für die Flötistin Susanne Fröhlich, die es September 2013 im Rahmen des Festivals Ankunft: Neue Musik auf der Zentralebene im Berliner Hauptbahnhof uraufführte. Sowohl der Ort der Darbietung als auch das besondere Instrument haben die Gestaltung des Stücks geprägt. Ganz im Sinne des Festivals damals wurden die Betriebsgeräusche des Bahnhofs einkalkuliert. Teils reagiert das Werk sogar darauf, wenn etwa das Ein- und Abfahren einer S-Bahn samt Türgeräuschen nachempfunden wird. »Meine Vorstellung war damals, dass das Stück völlig mit diesen Umgebungsgeräuschen verschmilzt«, hat Sarah Nemtsov diesbezüglich erklärt. Gleichzeitig wird der spezielle Klangcharakter des Soloinstruments ausgeforscht.
Paetzold-Blockflöten, die in den 1970er Jahren aufkamen, erlauben aufgrund ihrer eckigen Luftröhre einen festen Stand, somit eine enorme Größe und die Möglichkeit extrem tiefer Register. Mitunter sind dabei sowohl die Blas- als auch die Klappengeräusche sehr deutlich zu hören. Dies hat Sarah Nemtsov besonders interessiert. Sie wollte so etwas für IRA noch intensivieren und hat deshalb eine Präparation mit Alufolie vorgeschrieben. Das Instrument klappert dadurch nicht nur, sondern rauscht und rasselt zudem. Zusammen mit ausgeweiteten Spieltechniken wie Multiphonics, Überblasen und perkussiven Abschnitten ergibt sich ein breites Spektrum zwischen Ton und Geräusch, bei dem sogar auch eine immanente Polyphonie zum Tragen kommt – wie dies in den Solopartiten Johann Sebastian Bachs als fernen Vorbildern zu finden ist.
Eckhard Weber