Drei Blechbläser und ein Schlagzeuger, ausgestattet mit großer Trommel, großem Gong und einer großen Holzkiste, die er mit Schlägeln traktiert – das Instrumentarium von Samir Odeh-Tamimis Ja Nári wäre auch für eine Demonstration geeignet. Laut und fordernd ist auch der musikalische Gestus von Ja Nári. Und doch erschöpft sich dieses Werk (natürlich) nicht in einer vordergründigen Geste politischen Protests. Dem Zorn ist als Zwillingsschwester die Trauer beigesellt. Die Dialektik zwischen diesen beiden ›Herzensregungen‹ durchzieht viele Werke des israelischen Palästinensers Odeh-Tamimi. ›Ja Nári‹ bedeutet ›Mein verbranntes Herz‹. Die komplexe Gefühlslage, die sich hinter dieser Metapher verbirgt, beschreibt Odeh-Tamimi so: »Ja Nári ist ein Gefühl der Machtlosigkeit, nicht aber der Resignation. Es ist ein Erkennen dessen, was geschieht. Keine Illusion, sondern ein wacher Blick. Der Beginn der Suche nach einem Ausweg entspringt dem Gefühl des Schmerzes, dem man sich stellen muss.« Die drei Bläser und der Perkussionist sind einander als zwei verschiedene Sphären gegenübergestellt. Aus einem einzelnen liegenden Ton entwickeln die Bläser ein Geflecht aus teils vierteltönig verlaufenden melodischen Linien, in die der Perkussionist mit Schlägen auf die Holzkiste nur gelegentlich eingreift. Im Laufe des Stücks übernimmt das Schlagzeug aber immer mehr das Kommando, gibt – nun eher auf der Großen Trommel – im Wortsinn den Takt vor, an den sich die Bläser anpassen. Eine Schwerpunktverschiebung von den Bläsern hin zum Schlagzeug.
Rainer Pöllmann