Der gleichen Generation wie Naomi Pinnock gehört auch die US-amerikanische Komponistin Natacha Diels an, Jahrgang 1981. Sie hat ebenfalls ein neues Werk für das Ensemble Adapter komponiert, in der die Kernbesetzung der Gruppe um Elektronik ergänzt wird. Die Grundidee der Komposition basiert auf einem modularen Prinzip: Das Stück soll sich in verschiedenen Stadien stetig entwickeln – wie eine lebendige Kreatur, die über mehrere Jahre heranwächst und unterschiedliche Phasen durchlebt. Die erste, bei Ultraschall Berlin aufgeführte Version ist eine radiophon angelegte Komposition, bei der das klangliche Erlebnis im Mittelpunkt steht. In einer zweiten Phase soll das Stück um choreographische Elemente und einen Videopart erweitert werden, bis es schließlich im letzten Schritt in einem Film mündet.
Und auch wenn im ersten Stadium der Hauptfokus dem akustischen Ereignis gilt, spielen Bewegung und physischer Kontakt eine zentrale Rolle. Die Musiker betrachtet die Komponistin nicht als bloße ›Klanglieferanten‹, sondern als soziale Wesen, die einen Raum der Gemeinschaft erschaffen können. Mit diesem Konzept knüpft Diels an ihre interaktive Performance I love myself deeply and unconditionally an, die sie bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik 2018 realisiert hat. Hier erhielt jeder Besucher eine persönliche eins-zu-eins-Führung durch ein Darmstädter Privathaus. »Es geht mir darum«, so die Komponistin, »ein intimes Erlebnis mit einer möglicherweise fremden Person zu teilen. Denn wann passiert so etwas schon im alltäglichen Leben? In Amerika sehe ich die Leute nicht wirklich miteinander reden. Und das brachte mich auf die Idee, Situationen zu kreieren, in denen wir gemeinsam erfahren, dass wir alle Menschen sind, die sich in vielen Dingen ähneln und die Beziehungen zueinander aufbauen.«
Leonie Reineke