Zur Beschreibung der Musik von Milica Djordjević fallen oft Begriffe wie »rau«, »roh«, »kraftvoll« oder »obsessiv«. Markante Gesten, dicht gebündelte Strukturen, energiegeladene, sinnlich unmittelbar erfahrbare Dramatik, brüske Umbrüche, Kontraste, das bald einsetzende Hinterfragen des Behaupteten – dies alles macht den dialektischen Reiz ihrer Werke aus. Zu Beginn des Kompositionsprozesses steht bei Milica Djordjević oft eine charakteristische Klangimagination, dies ist der Ausgangspunkt. Anschließend entfaltet sie diese Klangimagination im Detail und arbeitet sie in konkrete klangliche Situationen aus.
Ihr Stück Pod vodom raskršća snova hat Milica Djordjević für das Trio Catch geschrieben, das Ensemble brachte das Werk am 19. Februar 2019 in der Kölner Philharmonie zur Uraufführung. Prägnante Melodielinien brechen hier aus Klangfeldern aus, Klang kann in Geräusch umschlagen oder an die Grenzen des Hörbaren stoßen. Die Klarinette spielt mitunter ohne Rohrblatt, das Violoncello zuweilen am unteren Ende der Saiten. Hinzukommen reichhaltige mikrotonale Ausdifferenzierungen des Tonraums. Das gesamte Geschehen erwächst aus Liegetönen in tiefen Lagen und dynamisiert sich allmählich auf verschiedenartige Weise rhythmisch und melodisch. Dies entfaltet sich in mehreren Anläufen, die mit deutlichen Zäsuren markiert sind.
Das Tempo von Pod vodom raskršća snova ist langsam, das Metrum relativ frei (»quasi senza misura«). Hierin liegt auch die Herausforderung an die Spieltechnik: Die Spannung im gemeinsamen Spiel des Trios muss durchgehend gehalten werden, um diese Musik zur Entfaltung zu bringen. Milica Djordjević erklärt im Interview für Ultraschall Berlin, was ihr dabei wichtig ist: »Bei Kammermusik, besonders in einem Trio, sollen die Musikerinnen nicht nur zusammen musizieren und aufeinander hören, sondern sie sollen praktisch zusammen atmen.« Wenn dies gelingt, entfaltet diese Musik geradezu Sogwirkung. Der vorwiegend düster gefärbte Klangstrom, zwischendurch grell aufscheinend, zu dem sich die drei Instrumente mitunter wie ein einziger Klangkörper zusammenfinden, erhält seine extreme Intensität nicht zuletzt durch eine nie nachlassende Spannung in den minutiös ausgearbeiteten Binnenstrukturen dieser Klänge.
Doch was hat es mit dem poetischen, so rätselhaft wie suggestiven serbischen Titel Pod vodom raskršća snova (»Unter dem Wasser der Kreuzungen der Träume«) auf sich? Milica Djordjević lässt dies bewusst offen. Im Interview erzählt sie: »Meine Titel kristallisieren sich während des kreativen Prozesses heraus, niemals vorher. In den meisten Fällen am Schluss der Arbeit. Es sind lediglich Bilder, die ich während des Schreibens im Kopf habe.« Gleichzeitig stellt sie klar: »Das hat aber auf keinen Fall etwas mit Programmmusik zu tun. Es ist keine Anweisung, wie dies gehört werden müsste. Es ist nur ein Vorschlag oder eine der möglichen Richtungen, in die man assoziativ denken könnte.«