(2017/18)
Ein passionierter Zauberer beschließt, seine künstlerische Arbeit an den Nagel zu hängen. Er musste einsehen, dass Zauberei bloß die Unehrlichkeit kultiviert; dass die Kunst der Illusion ihn zu einem Lügner hat werden lassen. Jahrelang hat Diabelli den Menschen etwas vorgegaukelt, jahrelang war die Täuschung seine einzige Fertigkeit. Was Aufrichtigkeit bedeutet, hat er darüber vergessen. In seinem Innern: nur noch Leere. Ein Zustand, von dem er sich nach Kräften befreien möchte.
Diese Erzählung von Hermann Burger inspirierte den Schweizer Komponisten Michael Pelzel. Eine ›Zauberoper‹, die diesen Stoff verarbeitet, steht auf seiner Agenda. Sein erster Schritt dorthin sind Etüden, die er für die Neuen Vocalsolisten komponiert hat und denen Ausschnitte aus der Erzählung zugrunde liegen. Sein Etüdenbuch zu Diabelli bezeichnet Pelzel ganz bewusst als Sammlung von kurzen Übungsstücken, da hier eher verschiedene kompositionstechnische Strukturmodelle durchexerziert werden als dass ausgedehnte Geschichten erzählt würden. »Ich behandle«, so der Komponist, »die Singstimmen fast wie Instrumente. Es gibt wenig solistischen Textvortrag nebst Begleitung, sondern die Stimmen singen meistens in gemeinsamen Blöcken und sind kompliziert miteinander verschachtelt. Über weite Strecken ist die Musik sehr virtuos.«
In einigen der kurzen Stücke steht vor allem das Experiment mit Rhythmus und Tempo im Zentrum. So basiert beispielsweise die erste Etüde auf einem auskomponierten Ritardando der Männerstimmen bei gleichzeitiger Beschleunigung des Rhythmus der Frauenstimmen. Diese Art der gegenläufigen Bewegungsmuster bzw. der gegenseitigen Kompensation von Tempoveränderungen bestimmt einen Großteil der Stücke. Angelehnt an die aus der afrikanischen Musik stammende Lock-in-Technik erarbeitete Pelzel hier komplexe Polyrhythmen, die auch die gesungenen Textfragmente umso dichter und intensiver wirken lassen. Ohnehin sind die vereinzelten Ausschnitte, die Pelzel für seine Komposition gewählt hat, wie hochkonzentrierte Essenzen aus der gesamten Erzählung: Wenn beispielsweise Diabelli begreift, dass die Zauberei ihn zu einem unehrlichen Menschen ohne wahrhaftige Identität gemacht hat, erscheint die Textstelle »Habe illudiert und illudiert und dabei mein Selbst verjuxt«.
Leonie Reineke