Der Komponist Mathias Monrad Møller, geboren 1988, gehört zu einer Generation von Künstlern, die ganz selbstverständlich über das gesamte Spektrum von elektronischen und digitalen Medien verfügen. Und er gehört zu einer Generation, die ganz selbstverständlich sich einmischt in die politischen Diskurse, die ihre Kunst als Teil der gesellschaftlichen Debatten versteht, nicht als abgeschotteter Bezirk der reinen Musik.
Diese Haltung prägt auch die Presidential Suite, an der Møller seit 2011 arbeitet. Sie basiert auf Samples von US-amerikanischen Präsidenten bzw. deren nahen Angehörigen. Und natürlich ist diese Reihe eine bitterböse, sarkastische Auseinandersetzung mit der Politik dieser Präsidenten – es handelt sich um George Bush den Älteren, um Ronald Reagan und um Donald Trump.
Something larger ist der erste Teil dieser Presidential Suite überschrieben. Es gibt davon drei verschiedene Versionen: für Bigband und Zuspielung, für Orchester und Zuspielung und für ein Vokalensemble in drei Gruppen und Zuspielung. Diese jüngste Version, entstanden 2019, wurde speziell für das Solistenensemble Phønix16 geschrieben, von ihm uraufgeführt und von Deutschlandfunk Kultur im Studio aufgenommen. »Something larger« ist ein Mini-Zitat aus der Rede zur Lage der Nation, die George Herbert Walker Bush, der damalige Präsident der USA, im Jahr 1991 im Zusammenhang mit dem ersten Irak-Krieg hielt. Der ganze Satz lautet: »We are Americans, part of something larger than ourselves.«
Diese Überlegenheit, so sagt Mathias Monrad Møller, berufe sich nicht allein auf die militärische und wirtschaftliche Stärke der USA, sondern auf den »amerikanischen Charakter«. Sein Stück sei der Versuch, diese Haltung so emphatisch wie möglich zu unterstützen. Und darüber hinaus werde hörbar, was passiere, wenn jemand (im musikalischen Sinn) an Präsident Buschs Lippen hänge. Gemeint ist damit, dass Møller das Autoritäre auch in die kompositorische Struktur seines Stücks überträgt. Die Schlagworte aus Bushs Rede werden zur Struktur von Befehlen. Von Befehlen an die beteiligten Sänger*innen, die also hier nicht einem künstlerischen Leiter, einem Dirigenten folgen, sondern einem ›richtigen‹ Oberbefehlshaber.
2017 entstand der dritte Teil der Presidential Suite: Tiffany für sechs Stimmen und acht Lautsprecher. »Tiffany«, das ist Tiffany Trump, die Tochter von Donald Trump, die 2016 beim National Convent, bei dem Trump zum Präsidentschaftskandiaten der Republikaner gewählt wurde, ihren Vater über den grünen Klee lobte: Er sei so freundlich, so rücksichtsvoll, so lustig, und so echt. Sein Drang nach Exzellenz sei ansteckend. Er habe ihr, so Tiffany Trump, immer geholfen, so gut wie möglich zu sein.
Wie in „Something larger“, so sind auch hier in „Tiffany“ die Sänger*innen keine künstlerisch autonomen Subjekte, sondern nur ausführende Organe. Sie haben nachzusingen, nachzuplappern, was aus dem Lautsprecher kommt, dem sie zugeordnet sind. Entstanden ist ein Werk, das an satirischer Schärfe nichts zu wünschen übrig lässt; das die Polit-Show Trumps so grundlegend dekonstruiert und der Lächerlichkeit preisgibt, dass nichts propagandistisch Verwertbares mehr übrig bleibt. Das aber trotzdem primär ein musikalisches Kunstwerk ist.
Wichtig sei ihm, sagt Mathias Monrad Moller, »dass die Musik dann auch als Musik funktioniert und interessant ist und nicht nur auf der konzeptuellen Ebene bleibt«. Erst dadurch entstehe ein »Überschuss an Erlebbarkeiten beim Zuhörer«
Rainer Pöllmann