Martin Schüttler: schöner leben

schöner leben ist der Titel einer fortlaufenden Reihe von Solostücken, an der ich seit 2004 in unregelmäßigen Abständen arbeite. Inzwischen umfasst die Serie neun Stücke. Die Kompositionen entstehen immer ohne Auftrag, ohne Zeitplan und in enger Zusammenarbeit mit befreundeten Musiker:innen. Diese Arbeitsweise unterläuft bewusst die in den Institutionen der zeitgenössischen Komposition üblichen Produktionsbedingungen und fungiert zudem als beiläufige Dokumentation meiner künstlerischen und persönlichen Entwicklung während der vergangenen zwanzig Jahre.

Bei aller Eigenständigkeit der einzelnen Stücke durchziehen bestimmte thematische Fäden die gesamte Reihe. Dies sind vor allem eine spielerisch-performative Auseinandersetzung mit Identitätskonstruktion sowie die Verortung des musikalisierten Körpers zwischen Virtuosität, Technologie, Queerness und Drag. Jede Komposition der Serie besitzt einen spezifischen Bühnenaufbau, der die aufführende Person mit einer performativ herausfordernden Umgebung konfrontiert. Darin wird das Spielen des Soloinstruments um das Steuern technischer Objekte erweitert. Es entsteht eine komplexere Form von Virtuosität, die das Solistische auch auf menschlich-performative Anforderungen ausdehnt. Zusätzlich führen die hinzugefügten Objekte zu einer skizzenhaften Inszenierung, zu quasi musiktheatralen Miniaturen. Schließlich prägt das Equipment stark die Klanglichkeit der einzelnen Stücke und verleiht ihnen einen eigenen Sound.

Jeder Komposition habe ich einen Untertitel gegeben, mit einer angeklebten Patenschaft. Alle verweisen auf prominente, männlich-gelesene Personen aus popkulturellen Kontexten: Kurt Cobain, Milli Vanilli, Alan Turing, David Foster Wallace usw. Sie stehen paradigmatisch für einen thematischen Kontrapunkt, der die schöner leben-Reihe konterkariert: das Verarbeiten von Zweifeln, Zerrissenheit, Aggressivität, Traurigkeit und Suizid.

Martin Schüttler