Martin Schüttler: low poly rose

für Klarinette/Bassklarinette, Violoncello und Klavier

Martin Schüttler, geboren in der documenta-Stadt Kassel, heute Professor für Komposition in Stuttgart, bringt praktisch in allen seinen Kompositionen, in Vokal- wie Orchesterwerken, Bühnenarbeiten wie Kammermusik, Elektronik ins Spiel. Diese Kombination sei für ihn reizvoll, weil es »eine Ästhetik sei, die unsere Gegenwart durchzieht«, wie Schüttler einmal erklärt hat. Bei ihm umfasst dies avancierte Live-Elektronik, Zuspiel, Monitore, Synthesizer, Transducer, aber auch Megaphon und schlichte Low-Tech-Geräte. Gerade das Unperfekte, das »Dreckige«, Schrundige, Abgewetzte des Klangresultats sucht er bei solchen Besetzungen. Auch in seinem Stück low poly rose, das er für die Reihe »Ohrenknacker« des Trio Catch 2016 komponiert hat, kommt Elektronik vor – in Form von Zuspielungen konkreter Klänge und anderem über simple kleine Lautsprecher. In einem Kommentar zur Uraufführung sagte er über sein Stück: »Sauberkeit ist ein gängiger Begriff unter Musikern. ›Sauber intoniert‹, sagt man da; oder auch ›nicht sauber zusammen‹. Vordergründig verweisen solche Ausdrücke auf eine musikalisch notwendige Präzision. Aber es schwingt darin ein biederer Unterton mit, ein Du-Darfst-Nicht – das Ergebnis jahrelanger Erziehungsmaßnahmen. Sauber meint eben auch: berechenbar; diszipliniert; maßvoll. Extase ist hingegen sauber nicht vorstellbar; Schönheit vermutlich auch nicht.«

Einen besonderen Clou hält Martin Schüttler für das Ende seines Stücks bereit, lustvolle Irritation, schalkhafte Aneignung, subversive Öffnung des herkömmlichen Werkbegriffs und der traditionellen Autorschaft: Als Finale von low poly rose soll der Schluss des vorangegangenen Stücks, das im jeweiligen Konzert erklang, gespielt werden. Und zwar sogar zweimal, zunächst in Originalform, allerdings äußerst leise, danach in Zeitlupe. Kompositorische Guerillataktik in Form übermütig anarchischer Symbiose – typisch für das so scharfsinnige wie genüssliche Hinterfragen von Produktions- und Materialbedingungen bei Martin Schüttler.

Eckhard Weber