(2023) 13‘ für Bassklarinette, Violoncello und Klavier

Es ist schwer, einen Programmkommentar zur Musik zu schreiben, wenn man gar kein „Programm“ als solches hat. Während ich an meinem Stück gearbeitet habe, beschlich mich oft der Eindruck, dass ich überhaupt nicht wusste, wo ich eigentlich war oder wohin ich mich bewegen wollte.
Ganz zu Beginn des Komponierens habe ich mir verschiedene musikalische Situationen für das Trio Catch vorgestellt und habe diese disparaten Elemente gesammelt: Rhythmen, Gesten, mögliche Konstellationen etc. Zu Beginn wurden diese Elemente einfach in Skizzen festgehalten, oft ohne Tonhöhen oder präzise Rhythmen. Oder sie wurden sogar eher auf poetische Weise und weniger technisch in ihren Strukturen festgehalten. Sie erstarrten auf dem Papier und ich wusste dann nicht, wie sie letztlich mit Leben erfüllt werden könnten.
Doch in kleinen Schritten begannen sie in meiner Vorstellungswelt und in meinen Träumereien zu leben. Auf diese Weise kam die Musik in inneren Bildern zur mir – manchmal sehr konkret, aber in den meisten Fällen unbestimmt, unvollständig, bruchstückhaft. Ich fühlte mich dann wie Marlow in Joseph Conrads Roman Im Herz der Finsternis: „Mir kommt es vor, als versuchte ich euch einen Traum zu erzählen, versuchte es vergebens, denn niemals kann die Erzählung eines Traumes das Traumhafte wiedergeben.“
Als der Kompositionsprozess bereits sehr weit gediehen war, hatte ich noch immer sehr wenige Sachen klar definiert festgelegt, meine musikalische Imagination war ohne Unterlass in Bewegung und die Bilder in meinem Kopf waren so flüchtig wie widersprüchlich. Jeden Tag habe ich das, was ich am Tag zuvor geschrieben hatte, wieder auf den Prüfstand gestellt. Das Gewebe des Stücks entstand erst allmählich auf der Basis von Variationen der jeweiligen Ausgangsidee.
Auf diese Weise nimmt die Wiederholung eine zentrale Rolle in meiner Musik ein, allerdings sehr selten als wörtliche Wiederholung. Die beständigen Überarbeitungen der gleichen Ausgangssituation bewirken, dass der Eindruck einer Wiederholung nicht immer offensichtlich ist, die Stadien der Transformation sind in den meisten Fällen verblasst. Es geht eher darum, einen Eindruck zu erzeugen, etwas sei bekannt, jedoch in einer Situation, die jedes Mal neu ist. Wie in einem Traum, in dem die Situationen einem bekannt vorkommen und dennoch die Wahrnehmung vorherrscht, alles sei doch eigenartig und seltsam, versuche auch ich in meinen Kompositionen die Wahrnehmung einer gewissen Eigenartigkeit hervorzurufen, ein Déjà-vu, einen Taumel zu erzeugen, unerwartete Begegnungen zu ermöglichen.
Der Einsatz leiser Dynamikwerte ist Teil dieser Poetik. Sie sind – in den meisten Fällen – jedoch keineswegs die Konsequenz von bloß schwach tönenden Spielweisen, sondern vielmehr die Art und Weise, wie ich eine Musik schreibe, die ohne zu stark betonte Konturen auskommt und die so teils dem Hörer selbst die Möglichkeit einer Träumerei bietet.
Julien Jamet
(Übersetzung: Ecki Ramón Weber)