Die „Arbeit am Detail und das spontane Entdecken von neuen Momenten inklusive neuer formaler Möglichkeiten“ seien für ihn „die wichtigsten Momente beim Komponieren“, hat Johannes Boris Borowski einmal geäußert. Der 1979 im bayerischen Hof geborene Komponist gewinnt den traditionellen Orchesterinstrumenten noch immer neue Seiten ab. Er hat an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin bei Hanspeter Kyburz studiert sowie anschließend in Paris. Heute lebt er in Berlin. Sein Klaviertrio hat Johannes Boris Borowski für das Trio Steuermann geschrieben, das es 2013 im Maison Heinrich Heine in Paris zur Uraufführung brachte. Die Besetzung mit den unterschiedlichen Artikulationsmöglichkeiten der Streicher und des Klaviers hat ihn vor allem gereizt.
Das einsätzige Werk besteht aus zwei Hälften und behandelt die Veränderung von Identität: Im ersten Teil etablieren sich bestimmte Details und werden in ihrem Verhältnis zueinander austariert, im zweiten Teil verändert sich der harmonische Kontext und dieselben Elemente erscheinen nun in einem völlig neuen Licht und verlieren sich in gewisser Weise. Der Komponist vergleicht diese Entwicklung mit Personen, die in unterschiedlichen Situationen andere Rollen annehmen können. In einem Interview im Umfeld der Uraufführung 2013 hat Johannes Borowski dies näher erläutert: „Der erste Teil konzentriert sich auf die Details, Elemente, Objekte und Motive mit dem Ziel der Verbindung und Trennung, der Entwicklung und Transformation auf unterschiedlichen Ebenen. (…) Im zweiten Teil geschieht genau das Gegenteil: hier wird das Verlieren von Details oder sogar das ,sich selbst Verlieren‘ in den Details gezeigt, was durch einen sehr klaren harmonischen Prozess ermöglicht wird. Diese Intervallsequenz ist so stark im Vordergrund, dass die einzelnen Elemente nicht mehr die Kraft haben, etwas zu entwickeln oder zu verändern. (…) Man kann dies mit einer Situation außerhalb der Musik vergleichen: dieselben Leute sind plötzlich nicht mehr dieselben, wenn sich plötzlich der Kontext ändert.“
Während der Komposition des Klaviertrios hat Johannes Boris Borowski darüber hinaus einige assoziative Gedanken zum Stück formuliert: „Trotz großformaler Strategien, Referenzpunkte, Vernetzungen, globalerer Prozesse etc. bleiben die Arbeit am Detail und das spontane Entdecken von neuen Momenten inklusive neuer formaler Möglichkeiten eines der wichtigsten Momente beim Komponieren. / Versuch, die Offenheit gegenüber dem Moment zu bewahren und trotzdem eine nachvollziehbare und v.a. interessante, spannende Form zu finden. / „Tagebuchform“: ein Tagebuch bezieht sich auch immer wieder auf einen „durchgehenden“ Kontext, es verweist also auf eine relative stabile, nachvollziehbare Form/Zeitablauf – und entzieht sich diesem gleichzeitig. / Ich kann heute noch nicht wissen, was ich morgen schreibe – meine Möglichkeiten sind begrenzt – ich kann nicht ständig Neues erfinden (im Sinne von neuem Material) sondern: das Neue entwickelt sich aus einem Material heraus. Natürlich ist nicht jedes Material gleich geeignet, die Materialfrage also nicht beliebig, das Interesse an der Komposition wird aber nicht durch das Material in erster Linie gesteuert.“
Eckhard Weber