Isabel Mundry, in Berlin aufgewachsen, hat später hier studiert und war früh eine prägende Akteurin der hiesigen Musikszene. Heute ist sie Professorin für Komposition in München und Zürich und international präsent. In ihrem neuen Stück Sounds-Archaeologies hat sich die Komponistin auf die Suche nach verschollenen Klanglichkeiten gemacht. Deshalb hat sie statt der Klarinette das Bassetthorn für die Besetzung gewählt, das Instrument mit dem tieferen Register, das roher, in gewisser Weise archaischer klingt. Dies kommt dem Ansatz Isabel Mundrys entgegen, innerhalb des klassischen Trio-Formats etwas zu verschieben – mit dem Blick des 21. Jahrhunderts, nach Moderne und Postmoderne, auf jene Epochen, als die Orchesterinstrumente noch nicht standardisiert waren. »Das 20. Jahrhundert ist natürlich auch gerne an die Ränder gegangen, vor allem, was die Tiefe betrifft, etwa mit der Kontrabassklarinette, oder mit präparierten Instrumenten. Was aber eher verloren ging, ist das unglaublich breite Spektrum an Instrumenten, die in der Mittellage angesiedelt sind und die früher als eigene Klangtypen in der Musik präsent waren«, erklärt Isabel Mundry im Interview für Ultraschall Berlin, »und diese Nuance, diese Farbe, die wollte ich in meinem Stück mit dem Bassetthorn nutzen.«
Der im Titel der neuen Komposition beschworene »archäologische« Ansatz untersucht die Instrumente in ihrer Körperlichkeit jenseits der geschichtlichen Tradition und in ihrer »Eigenmaterialität«, so Mundry: »Das Stück zieht sich manchmal an diese Punkte zurück. Beim Cello sind es beispielsweise die leeren Saiten, beim Bassetthorn die Luftbewegung, beim Klavier die Saiten ohne die Hämmer und die übrige Mechanik. Weitere Rückzugspunkte sind Phänomene früher Musikpraxis wie Hoquetus und Polyphonie, Aspekte der Tonalität, Melodik, Virtuosität.« Sounds-Archaeologies stellt insofern Fragen nach historischer Kontinuität und Diskontinuität, wie bei einem archäologischen Artefakt. Isabel Mundry nennt die Aspekte, die sie dabei interessieren: »Ist es fern? Oder steht es doch in einer Kontinuität eines kulturellen Gedächtnisses? Oder ist es einfach nah, weil es eine eigene Qualität hat, die zu mir spricht? Ist zum Beispiel ein Dreiklang ein Zitat, spricht er im Jetzt zu mir? Oder ist er etwas, was wir nur durch eine Glasscheibe wahrnehmen können, wo wir nur die Distanz aufzeigen können?«
Solche Fragestellungen spielen in Sounds-Archaeologies hinein. »Der Preis dessen ist«, dies gibt die Komponistin unumwunden zu bedenken, »dass das Stück in sich relativ diskontinuierlich ist, es Einschnitte und Zäsuren gibt.« Doch gerade diese sympathische formale Offenheit ermöglicht es, eingeschliffene Hörgewohnheiten zu hinterfragen und lässt – wie so oft bei Isabel Mundry – aufhorchen.
Eckhard Weber