Bevor er sich ganz der Komposition widmete, hatte der studierte Ingenieur Iannis Xenakis bereits Karriere in der Architektur gemacht, bis 1960 war er Mitarbeiter bei Le Corbusier.
Seine Entscheidung für die Musik begründete Xenakis einmal folgendermaßen: »Es gibt zu wenig Forschung in der Architektur. Und ich habe mich in die Musik zurückgezogen: dort konnte ich, trotz aller Schwierigkeiten, künstlerische Forschung realisieren.« Dies hat er bis in sein Spätwerk betrieben, wie das Stück Plektó (1993) beweist.
In Plektó hat Iannis Xenakis seine jahrzehntelangen Erfahrungen mit Klängen als bewegte Körper und Texturen in der Zeit mit einer kontrapunktischen Linienführung in Bezug gesetzt. Das griechische Wort Plektó wird in der Partitur mit »Flechte« übersetzt, im Sinne von Zopf, Flechtwerk oder Geflochtenem. Im modernen Griechisch kann der Begriff auch »Strickware« bedeuten. Dieses Verflechten probiert Iannis Xenakis an einer Besetzung aus, die auf Arnold Schönbergs Pierrot lunaire verweist: Flöte, Klarinette, Klavier, Geige, Cello, jedoch statt menschlicher Stimme eine markante Schlagzeugauswahl mit fünf Woodblocks und drei verschiedene Arten von Trommeln, nämlich zwei Bongos, drei Tom-Toms und zwei große Trommeln.
Zu Beginn von Plektó verbinden sich kurze melodische und rhythmische Einheiten zu einem kontrapunktischen Gefüge, es fallen sogar Ansätze zu Fugati auf, das Ganze unterstützt von den Strukturen des Klaviers. Das Schlagzeug tritt später als gleichberechtigte Gegenkraft hinzu. Das Klavier vermittelt zwischen Schlagzeug und den vier Melodieinstrumenten. Mit zunehmender Verdichtung der Strukturen ist die Tendenz zur Fläche zu beobachten. Um im Bild des Titels zu bleiben: So wie ein komplexes textiles Geflecht zu einer dichten Textur werden kann, bei dem die einzelnen Fadenstränge nicht mehr als einzelne wahrgenommen werden, so verbinden sich die instrumentalen Stimmen in Plektó allmählich stärker zu flächigen Strukturen. Insofern ist dieses Stück eine spannende Studie über Autonomie und Amalgamierung im instrumentalen Zusammenklang.
Eckhard Weber