In Amo lässt sich George Lewis von dem Philosophen Anton Wilhelm Amo (1703-1759) inspirieren. Seine Geschichte beginnt im Afrika des Sklavenhandels. Amo war noch ein Kind, als er versklavt und 1707 von der Westindischen Kompanie aus seinem Heimatland – dem heutigen Ghana – nach Deutschland gebracht wurde. Als Geschenk an Herzog Augustus Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg hatte Amo das Glück, wie ein Mitglied der Adelsfamilie behandelt zu werden und in den Genuss einer guten Ausbildung zu kommen. Als erster Afrikaner, der eine europäische Universität besuchte, schloss er 1729 sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Halle ab; von dort aus promovierte er zum Doktor der Philosophie an der Universität Wittenberg, wo er einige Zeit als Professor für Philosophie tätig sein sollte. Er lehrte außerdem am an den Unversitäten von Halle und Jena, bevor er sich 1747 entschied, nach Afrika zurückzukehren.
Amos Text Disputatio philosophica continens ideam distinctam eorum quae competunt vel menti vel corpori nostro vivo et organico von 1734 ist die Hauptquelle für den Text, den Lewis für sein neues Werk vorbereitet hat. Die für die Neuen Vocalsolisten komponierte Vokalpartitur erfordert eine umfangreiche Vokalisierung in mehreren Sprachen (Deutsch, Latein, Englisch, Niederländisch und Twi, Amos Muttersprache) zusammen mit Live-Elektronik, die interaktive digitale Verzögerungen, Timbre-Transformationen, Field-Recording-Wiedergabe und diffusen Acht-Kanal-Sound einsetzt, um einen Tanz der Klänge zu schaffen, bei dem die Elektronik sowohl mit den Stimmen verschmilzt als auch mit ihnen konkurriert.
Die Stimmen der Sängerinnen und Sänger verwandeln sich auch in ihre Doppelgänger, die verschiedene Bahnen im und durch den Saal ziehen, um eine immersive Erfahrung für das Publikum zu schaffen, das sich somit in einer Art Schnittpunkt zwischen realem und virtuellem Raum befindet.
Werkeinführung der Biennale di Venezia
Das englischsprachige Libretto wurde mit freundlicher Genehmigung übernommen aus Stephen Menn & Justin E.H. Smith: Anton Wilhelm Amo’s Philosophica Dissertations on Mind and Body (New York: Oxford University Press, 2020).
Die Texte sind in Latein, Englisch, Deutsch, Dutsch und Twi, der Muttersprache von Amo, verfasst. Primäre Übersetzungen und Beispiele für geschriebenes und gesprochenes Twi wurden von Dr. Obenewaa Oduro-Opunim, Twi-Muttersprachlerin und Assistenzprofessorin am Fachbereich Germanistik der University of Arizona, zur Verfügung gestellt. Weitere Übersetzungen und Beispiele stammen von Kobina Hagan, einem ghanaischen Theater- und Filmregisseur, Schauspieler, Schriftsteller, Künstler im Bereich der neuen Medien und Forscher auf dem Gebiet der Akan-Sprachen, Folklore und Mythologien. Wir sind dankbar für ihre Beiträge.
Diese Arbeit wurde im Juni 2021 am Wissenschaftskolleg zu Berlin abgeschlossen. Sie ist dem Ort gewidmet, an dem ich sie zuerst konzipiert habe, dem Anton Wilhelm Amo Center bei SAAVVY Contemporary Berlin.
George Lewis