(2022–24) 40‘ – für sieben Musiker
„Ich bin ja insgesamt obsessiv mit Variationen. In Laub ist jeder Takt eine Variation des vorhergehenden Takts. So entsteht eine Art ‚Stille Post‘, bei der sich die Musik komplett verändert, ohne dass man sagen könnte, an welcher Stelle diese Veränderung stattgefunden hat“, so der Komponist.“
Enno Poppe im Interview.
Sören Ingwersen: „Musik soll pure Emotion sein.“, in: Concerti 5/2024
„Dieses Stück ist anders als andere Kompositionen von mir, die viel stärker strukturell von oben gedacht sind – also dass ich genau die Form vorhersehen kann –dieses Stück ist sehr stark von den Details her gewachsen. Entscheidend ist jedes einzelne Detail von dem Stück – das sind Tausende, also das Stück hat über 800 Takte, wo im Schnitt in jedem Takt sechs bis zehn Details sind. Also kommen wir auf 8.000 Details vielleicht in dem Stück. Jedes einzelne hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Physiognomie und ist, zumindest empfinde ich das so, etwas Lebendiges.
Enno Poppe in der Sendung WDR 3 Konzert am 10.07.2024 mit Johannes Zink
Jede einzelne Zelle kann ausgeleuchtet und angeschaut werden. Sind wir unter einem Mikroskop oder in einem Traum? Wie passiert es, dass man hellwach und konzentriert ist, und gleichzeitig das Gefühl verliert für die Zeit, das Tonsystem und alle anderen ordnenden Kräfte? Wenn ich schon wüsste, was in einem neuen Stück passiert, müsste ich es nicht mehr schreiben. Klar ist, dass ich mit ganz wenig beginne, den Fragmenten einer Melodie, winzigen Elementen, die einander ganz ähnlich sind. Aus diesen Keimzellen entsteht ein dichtes Netz von Beziehungen, ein Dschungel, ein Traum. Das Stück ist immer auf der Schwelle zwischen Ordnung und Unordnung. Es singt, es wartet.
Mein Bedürfnis ist, in jedem Stück etwas anderes auszuprobieren. Nach einigen groß besetzten Werken, die zum Teil sehr laut und massiv sind (Prozession, Körper), schrieb ich zunächst zahlreiche Miniaturen, um der Idee der Großform zu entkommen und mich auf den Augenblick zu fokussieren (Augen, Blumen). Frühere Kammermusikwerke (Trauben, Fleisch) sind besonders wild und intensiv, um den kleinen Besetzungen eine besondere Energie entgegenzusetzen. Das neue Kammermusikstück ist hingegen zart und expansiv. Die Besetzung ist klassisch, ohne Elektronik oder besondere Instrumente. Es dauert 40 Minuten, irgendwann hört es einfach auf.
Enno Poppe
(Text mit freundlicher Genehmigung des Verlags Ricordi – ricordi.com)